Extra Extra: Operation mit offenem Ausgang
Berlin/MZ. - Dabei untertrieb der60-Jährige mit seinem gescheiten Statement,denn es handelt sich - um im Bild zu bleiben -bei dem 1945 gegründeten Ostberliner Aufbau-Verlagnicht um irgendein Auto, sondern um einenwimpelbesteckten, landstraßenerprobten Bücherbus:nämlich das Aushängeschild für die kulturnationaleund antifaschistische Tradition, in der sichdie DDR-Kulturpolitik sah.
Lunkewitz, von Hause aus bildungsbeflissenerImmobilien-Millionär mit linksradikaler Vergangenheitaus Frankfurt am Main, konnte das Auto-Bonmotmit einer gewissen Schadenfreude präsentieren.Ende März war ihm vom Bundesgerichtshof bestätigtworden, dass der Aufbau-Verlag in der DDRnie zum Volkseigentum gehörte, also auch nichtvon der Treuhand verscherbelt werden konnte,die die Firma 1991 an eine Investorengruppeum Lunkewitz verkaufte. Bereits zum Zeitpunktdes Bundesgerichtshof-Urteils aber war klar,dass die klärende, eventuell keine gute Nachrichtsein kann. Dass es am Ende heißen könnte:Operation gelungen, Patient tot.
Denn es geht um Prozesskosten in Millionenhöhe,die Lunkewitz selbstverständlich wiederhabenwill. Es geht um über Jahre irrtümlich vergebeneLizenzen, die einen nicht kalkulierbaren Schwanzan Nebenrechten - und heute an Neu-Forderungen -nach sich ziehen, denn in Urheberrechtsfragengibt es kein Pardon - und keinen Kauf im gutenGlauben.
Gestern nun zog Bernd Lunkewitz die Reißleine:Die Aufbau-Verlagsgruppe stellte beim AmtsgerichtBerlin-Charlottenburg den Antrag auf Eröffnungdes Insolvenzverfahrens. Übrigens gegen dieVerlags-Geschäftsführung, die diesen Schrittfür vermeidbar hielt. Lunkewitz hält dagegen:"Ich habe alles getan, um den Verlag am Lebenzu erhalten, weitere Mittel aus meinem privatenVermögen werde ich nicht zur Verfügung stellen".Somit hat gestern am unbetäubten Verlagsleibeine Operation begonnen, deren Ausgang völligoffen ist.
Im Detail ist der Fall Aufbau so spektakulärwie für Rechts-Laien undurchschaubar. DerReihe nach: 1991 erwarb Bernd Lunkewitz denVerlag, der tatsächlich der DDR-MassenorganisationKulturbund gehörte, von der Treuhand. 1995suchte Lunkewitz den Fehlkauf zu korrigieren,in dem er den Verlag nochmals als Privatmannerwarb, diesmal vom rechtmäßigen EigentümerKulturbund. Somit befindet sich Lunkewitzheute in der Lage, Ansprüche gegen seinen"eigenen" Verlag geltend machen zu können.Allein der Hauptgegner in der Sache, die Bundesanstaltfür vereinigungsbedingte Sonderaufgaben alsTreuhand-Nachfolgerin, wehrt verständnislosalle Forderungen ab.
Die Aufbau-Verlagsgruppe zählt heute 60 Mitarbeiter,2007 erzielte sie einen Umsatz von 14,2 MillionenEuro. Mit der wirtschaftlichen müsste nunzwingend eine verlegerische Neudefinitioneinhergehen. Die relevante Backlist des Verlagesist kurz, die Zahl wichtiger Gegenwartsautorenklein, das Hauptprogramm verwechselbar, dieintelligente DDR-Aufarbeitung erledigen andereHäuser überraschender und beherzter: Vielwäre zu tun.