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Europäischer Filmpreis Europäischer Filmpreis: Bochum zeigt es Berlin und der Welt

Von FRANK OLBERT 13.12.2009, 10:46

BOCHUM/MZ. - Heute vibrierteine Energie anderer Art zwischen den hochaufschießenden Stahlstreben, die ein Hauptschiffund zwei Seitenschiffe tragen: Diese gotischeKirche des Ruhrgebiets-Kapitalismus ist einerder markantesten Kulturorte der Region. AmSamstag beherbergte sie die Verleihungszeremoniezum Europäischen Filmpreis, die erstmals imWesten Deutschlands und nicht in Berlin ausgetragenwurde - eine Reminiszenz an die künftige Kulturhauptstadt"Ruhr 2010".

Bevor die Gäste zu ihren Sitzplätzen vorgelassenwurden, heizten ihnen in der Vorhalle Flammenwerfer,Knallkörper und Funkenflug ein - Strukturwandelhin oder her: im Ruhrgebiet wird auch denBesuchern im feinsten Zwirn und Abendkleidvor Augen geführt, dass hier Schneidbrennerund Schweißgerät noch immer identitätsbildendeMerkmale einer vielfältig zusammengesetztenBevölkerung sind. Wie sagte es später AnkeEngelke, die charmant-bissige Moderatorindes Abends: "Von Franzosen besetzt, von Engländernbombardiert, von Polen wieder aufgebaut."Ein Kurzreferat zur europäischen Historiedes Ruhrgebiets, herzlichen Dank.

Nach der pyrotechnischen Einstimmung ginges bei der Verleihung der Europäischen Filmpreiseein wenig kühler zu - nicht allein, was denleichten Durchzug betraf. Um den Berlinernzu zeigen, was eine nordrhein-westfälischeFilmharke ist, hatten die Veranstalter (dieEuropäische Filmakademie, die DüsseldorferLandesregierung, das Team "Ruhr 2010" unddie Filmstiftung NRW) eine perfekt abtickendeShow konzipiert - ein präzise und unterhaltsamrhythmisiertes Wechselspiel aus Filmeinspielern,Würdigungen und gewitzten Auftritten AnkeEngelkes, das bei den Geehrten nicht vielRaum für große Gefühle ließ. Tränen und Luftsprüngegehören dem Oscar.

Drei Mal konnte man sich indes an kollektiverEmotion wärmen. Mit stehenden Ovationen wurdeder Preis fürs Lebenswerk an die französischeSchauspielerin Isabelle Huppert und den englischenRegisseur Ken Loach gewürdigt, wobei Loachseine Trophäe aus der Hand seines persönlichenFußball-Gotts Eric Cantona erhielt, dem Heldenseines Films "Looking for Eric". Ein drittesMal riss es das Publikum von den Sitzen, alsder polnische Regie-Altmeister Andrzej Wajdaden Prix Fipresci entgegen nahm - es sei daserste Mal in seinem langen Leben, ließ erwissen, dass er einen Kritikerpreis bekomme.Als überragender Gewinner aber darf MichaelHaneke gelten, er hat in der Tat einen herausragendenFilm geschaffen. "Das weiße Band" blendetin gestochenen Schwarz-Weiß-Bildern in einDorf im deutschen Nordosten am Vorabend desErsten Weltkriegs.