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Elektro-Pop Elektro-Pop: Mieze Katz will fliegen

Von Maria Böhme 26.09.2012, 17:27

Jena/MZ. - Peng! Zahnlücke, platinblonde Haare, weißes Federkleid, seidig schimmerndes Höschen und eine Stimme, die sowohl Schnurren als auch Mauzen kann. Mit einem Knall ist die Sängerin Mieze Katz und ihre Band Mia. zurück. Aber waren sie jemals wirklich weg? Ganz bestimmt nicht verschwunden aus den hungernden Herzen der treuen Mia.-Fans, die seit drei Jahren darauf warten, die Band endlich wieder "live on stage" bei einer eigenen Tournee zu sehen.

Denn auf die Bühne gehören die Berliner Musiker definitiv. Dort entfaltet sich das Talent der extrovertierten Frontfrau Mieze, die nur eines genauso zu lieben scheint wie die Musik: eine gute Show. Das haben sie in diesem Sommer zum Beispiel auf dem Sputnik-Spring-Break-Festival in Pouch bewiesen.

Am Montag gaben die vier Berliner auf einer winzigen Schuhschachtel-Bühne im kleinen Saal des Kassablanca-Clubs in Jena ein exklusives Konzert. Dort durften diejenigen rein, die bei einer virtuellen Auslosung über Facebook Tickets gewonnen hatten.

Nur 80 Musikbegeisterte hatten die Möglichkeit, im kleinen Rahmen einen Vorgeschmack auf die anstehende "Tacheles"-Tour zu bekommen. Die Tournee startet am 2. November in Erfurt und führt die Elektropop-Gruppe unter anderem auch nach Magdeburg, Dresden und Leipzig.

"Ich bin zurück", begrüßt Sängerin Mieze das Publikum mit der ersten Liedzeile der Single-Auskopplung "Fallschirm" aus dem fünften Album "Tacheles". Von der ersten Minute an ist sie präsent. Hüpft, tanzt, dreht sich im Kreis und wirbt mit Wimpernklimpern um die Gunst des Publikums. Sie habe sich nach "Vollkontakt" gesehnt, jauchzt Mieze dem tobenden Publikum entgegen, nach all den großen Festivalbühnen der vergangenen Wochen.

Prompt reckt sie die Arme nach den ersten Reihen, tritt von der Bühne herunter und schmiegt sich zwischen die Zuschauer. Wieder auf der Bühne verrät sie, dass sie sich bei der neuen Show auch wieder hoch in die Luft schwingen will.

Die neue Musik von Mia. versucht dem Stempel "Elektropop" etwas hinzuzufügen. Sie klingt rauer und rockiger. Zuweilen auch brachialer, die Gitarren kommen mehr zum Einsatz. Nicht jedes Lied lädt zum Mitsingen ein. Den Klangteppich für Miezes Stimme und Texte weben Andy Penn (Gitarre), Robert "Bob" Schütze (Bass) und Gunnar Spies (Schlagzeug). Sie beweisen, dass die neuen Lieder, des im Frühjahr erschienen Albums, auch eine Spur härter funktionieren.

"Tacheles" war nach einer Bandpause entstanden, die im Herbst 2009 ihren Anfang nahm und an dessen Ende, im Jahr 2011, Ingo Puls die Band verlassen hatte. "Das Album Tacheles ist das musikalische Protokoll vieler Wendepunkte im Leben der Mieze Katz", heißt es schlicht auf der offiziellen Homepage von Mia. Wendepunkte? Nur spekulieren lässt sich, welche Schicksalswendungen das Leben für die Frontfrau bot. Verarbeitet hat sie ihre Erlebnisse in den Songs der aktuellen Platte.

Es handelt von Beziehungen ("Immer wieder"), Abschieden ("Am Tag danach"), Neuanfängen und einer unbändigen Lust am Leben ("Fallschirm"). Es ist sehr intim, weniger politisch als die Mia.-CDs der Anfangsjahre.

In Jena tobt das Publikum bei "Aufruhr". Doch wirklich zum Sieden kommt die Stimmung bei den alten Ohrwürmern wie "Kreisel" (2003) und "Hungriges Herz" (2004), mit dem Mia. beim Vorausscheid zum "Grand Prix d' Eurovision" teilnimmt. Beim Hören der neuen Lieder wird man hingegen das Gefühl nicht los, dass dieser Musik manchmal der Elan fehlt. Sie ist austauschbarer, die Texte sind glatter geworden.

Weniger angreifbar als noch die Liedzeilen von beispielsweise "Was es ist" (2003). Das Lied handelt von dem teilweise gestörten Selbstbewusstsein der Deutschen. Dort heißt es: "Fragt man mich jetzt, woher ich komme / Tu' ich mir nicht mehr selber leid." Dem Text, der auch mit den Nationalfarben spielt, wurde unter anderem Deutschtümelei vorgeworfen. "Was es ist" löste eine große Debatte um Patriotismus in der Popmusik aus.

Seitdem zog sich Mia. mit ihren Texten von LP zu LP immer weiter zurück ins Private. Die 1997 gegründete Band läuft mittlerweile Gefahr, "nur" noch als Stimmungsmacher wahrgenommen zu werden. Nichtsdestotrotz ist die Musik meist extrem tanzbar und die Auftritte sehenswert.

Wie es sich für eine gute Live-Band gehört, klingen Sound und Stimme wie auf der Platte - und manchmal noch besser. Mit Plastikpistolen, aus denen Seifenblasen quellen, befeuchtet Mieze im Kassablanca bei ihrem letzten Song - einem ihrer großen Hits "Tanz der Moleküle" - die Zuschauer. "Wer schwitzt, ist glücklich", hat sie zu Beginn des Konzerts gesagt. Nach 45 Minuten Auftritt laufen Band und Publikum die Schweißperlen über das Gesicht.

Die "Tacheles"-Tournee von Mia.: Auftakt am 2. November in Erfurt, 10. November in Magdeburg, 7. Dezember in Dresden, 8. Dezember in Leipzig