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Ein kritischer Geist für die Literatur - Helmut Kindler wird 95

02.12.2007, 15:52

Zürich/dpa. - Das turbulente Leben ist für den Verleger Helmut Kindler vorbei. Wenn er am 3. Dezember seinen 95. Geburtstag feiert, dann wird es deutlich ruhiger zugehen als sonst, wie es aus seinem Umfeld hieß.

Zwar gehe es ihm den Umständen entsprechend gut, doch das Schreiben habe er dann doch aufgeben müssen. Kindler, 1912 in Berlin geboren und als Berufsziel eigentlich Regisseur vor Augen, landete schließlich 1936 beim Deutschen Verlag. Dann kam das Talent mit der links-kritischen Gesinnung über die «Frankfurter Zeitung» zum Ullstein-Verlag. Und dort traf er Raimund Pretzel, der vor den Nazis nach London flüchtete und sich in Sebastian Haffner umbenannte. Kindler übernahm dessen Stelle und legte damit den Grundstein für seine späteren verlegerischen Aktivitäten.

Bereits mit 27 Jahren war er Chefredakteur mehrerer Zeitschriften. Doch dann musste er an die Front. Als die Nazis mitbekamen, dass der kritische Geist einer Widerstandsgruppe angehörte, sollte er eigentlich in ein Konzentrationslager eingeliefert werden. Doch stattdessen versetzte man ihn an die Front, wo er fliehen konnte.

So baute Kindler nach dem Krieg sein Imperium auf, indem er zunächst mehrere Zeitschriften gründete, darunter «Revue» und «Bravo», bis er sich in den 60er Jahren auf das Büchergeschäft konzentrierte. Neben Haffner verlegte er etwa Fritz Kortner und Willy Brandt, doch «Kindlers Literaturlexikon» und die «Psychologie des 20. Jahrhunderts» wurden Standardwerke.

In den 80er Jahren verkaufte Kindler den dennoch verschuldeten Verlag an Holtzbrinck und siedelte nach Zürich über. Ein «Un-Ruhestand» wurde es, wie seine Frau Maria bestätigte. Kindler sehe damit auf ein erfülltes Leben zurück.