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«Ein Abend im Club» «Ein Abend im Club»: Französischer «Roman des Jahres» auf Deutsch

Von Sabine Glaubitz 02.09.2003, 20:17

Paris/dpa. - Nach zehn Jahren ohne Jazz, ohne Swing verspürte Simon neue Lust, zu leben. Deshalb verpasste er den letzten Zug nach Paris und empfand den Tod seiner Frau Suzanne als den Preis für seine Freiheit - und als letzte Chance, wieder zur Musik zurückzukehren und eine große Liebe zu erleben. Unter dem Titel «Ein Abend im Club» (Berlin Verlag) ist jetzt auf Deutsch der französische Erfolgsroman «Un soir au club» von Christian Gailly erschienen. Das renommierte Literaturmagazin «Lire» hat das Buch zum besten französischen Roman des Jahres 2002 gewählt, im selben Jahr wurde es mit dem Literaturpreis «Livre Inter» ausgezeichnet.

«Ein Abend im Club» ist der elfte und bisher wohl erfolgreichste Roman des französischen Schriftstellers, der in Deutschland bereits mit «Anschein» und «Bebop» von sich reden machte. Auf 140 Seiten beschreibt der 1943 in Paris geborene Autor die zauberhafte und gleichzeitig traurige Geschichte vom unterdrückten Leben des Ingenieurs und ehemaligen Jazzpianisten Simon Nardis, der nach einem ersten Glas Wodka mit Eis in einem Jazzclub in einem Badeort an der Atlantikküste die Sehnsucht nach einem Neuanfang verspürt.

Gailly ist es gelungen, durch den Wechsel zwischen auktorialem Erzähler und handelnden Personen nüchtern und emotional zugleich über die Themen Tod und Leben zu schreiben. So wird das Kapitel, in dem Gailly über den Tod von Simons Frau berichtet, die bei einem Autounfall ums Leben kam, durch die Erinnerungen des Erzählers eingeleitet: «Vor dem Aufbruch zum Krankenhaus, sagte mir Simon, habe er an mich gedacht (...). Niedergeschlagen von Suzies Tod und von der Freiheit betäubt, und doch hat er an mich gedacht. Verstört von dieser Nachricht, die vor ihn, ihm vor die Füße gefallen war wie eine Opfergabe oder auch eine Bombe und einen Krater hinterlassen hatte, den er jedoch zu umgehen gedachte, um weiterzumachen.»

Der Roman, der von Trauer, Sehnsucht und vom Mut zum Aufbruch in ein neues Leben handelt, ist in einer Sprache geschrieben, die rhythmisch und leicht ist und durch die zahlreichen Passagen über die Musik, die einst in Nordamerika entstanden ist, schon fast «swingt». «Alles ist Jazz in diesem schwarz-rosa Roman», schrieb die französische Kulturzeitschrift «Télérama».

«Ein Abend im Club» hat stark autobiografische Züge, wie viele Bücher Gaillys, in deren Mittelpunkt Musik und die Liebe zwischen Mann und Frau stehen. Denn bevor Gailly, der sich nur ungern in der Öffentlichkeit zeigt, das Schreiben begann, war er Saxofonist, Pianist. «Der Jazz spielte in meinem Leben eine wichtige Rolle», erklärte Gailly, der im Alter von 16 Jahren seine Bestimmung als Jazzsaxofonist entdeckte. Doch im Jahr 1980 hängte er plötzlich sein Saxofon an den Nagel, begann zu schreiben und veröffentlichte sieben Jahre später sein erstes Buch.

«Die Musik hätte mir helfen können, eine Identität in der Welt zu finden. Doch wir haben uns getrennt. Über die Bücher habe ich eine ähnliche Identität gefunden», sagte Gailly einst.

Christian Gailly: Ein Abend im Club. Roman Berlin Verlag 140 S., 16,00 Euro ISBN 3-8270-0498-5