"Dschungelcamp" "Dschungelcamp": Operative Hektik geistige Windstille

Die Zusammenfassungen von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ gibt es bei uns ab sofort als Brief. Weil: drüber schreiben und sich austauschen hilft.
Liebe Annika, lieber Philip,
man könnte des Nachts über so viele relevante Fragen nachdenken. „Gibt es in einer Teefabrik Kaffeepausen?“ und „Darf man in einem Schaltjahr auch Automatik fahren?“ sind nur zwei von ganz vielen, die dringend nach einer Antwort schreien. Aber ich komme im Moment zu nichts. Denn in mir drin schreit’s auch. Beziehungsweise: Larissa Marolt. Seit gestern habe ich das, was Millionen andere Fernsehschauer auch haben, die am Freitag, 17. Januar 2014, von 21.15 Uhr bis 0.00 Uhr RTL eingeschaltet hatten: Larissaphobie. Bis vorgestern hatte ich diese zwanghafte Angstvorstellung nicht. Ganz einfach deshalb, weil ich die 21-jährige Österreicherin, die „Austria’s Next Topmodel“ gewonnen hat und in Heidi Klums Dressur-Revue „Germany’s Next Topmodel“ den achten Platz belegte, nicht kannte. Ich gucke solche Kleiderstangen-Formate nicht, Nichtwissen schützt manchmal.
Abend für Abend sehen sich unsere Autoren Martin Weber, Philip Sagioglou und Annika Leister bis zum 1. Februar das RTL-Dschungelcamp an. In einem Briefwechsel tauschen sie sich über ihre Erlebnisse aus - und schreiben sich ihren Schmerz von der Seele.
Seit Freitag aber weiß ich über Larissa Marolt Bescheid, und ich weiß als jahrelang gestählter Dschungelcamp-Gucker auch endlich, was eine Multifunktionsnervensäge ist. Larissa Marolt stellt – und ich gehe mal schwer davon aus, dass ihr da mit mir auf einer Meinungswelle surft – Dschungelcamp-Koryphäen wie Georgina Fleur, Sarah Knappik, Guilia Siegel und Joey Heindle schon nach kurzer Verweildauer im RTL-Telezoo locker in den Schatten. Sie war an Tag eins im Camp zickig, ungezogen, vorlaut und definitiv nicht die hellste Kerze auf der Torte, und selbstverständlich war sie all das auch an Tag zwei. „Man wählt doch nicht den zur Dschungelprüfung, von dem man weiß, dass es ihm nicht gut tut“, jammerlappte Larissa, und dann folgte eine spontane Zeit- und Raumanalyse, eingeleitet von drei denkwürdigen Worten. „Ich hab’ gedacht…“
Jetzt mal Butter bei die Fische und Hände an die Hosennaht, Annika und Philip: Wie viele Lügen stecken da drin? „Haben“ ist ein Hilfsverb, Hilfe hat Larissa dringender nötig als Verben, „denken“ ist in diesem Zusammenhang anmaßend, und „Ich“ ist in dem Fall nur ein Euphemismus für Ego-Shooter. Und was die Auswahlkriterien für die Dschungelprüfung angeht: Jawoll, das ist die Geschäftsgrundlage von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“: Leute, die man doof findet und nicht leiden kann, sollen gequält werden. Am besten gleich mehrfach hintereinander; du kannst auch Privatfernsehensozialdarwinismus dazu sagen.
„Gedacht“ hat Larissa übrigens an Tag zwei unter anderem, dass der Dschungel nicht echt ist. Ist er aber. Hat Larissa dann auch festgestellt. Weshalb sie erst den Dschungel angeschrien hat – „Ey, guckt euch mal den Scheißdschungel an hier“ – und später, während sie über die Hängebrücke eierte (dazu Daniel Hartwich: „Wer ist eigentlich ihr Model-Lauftrainer – Didi Hallervorden?“) an die Ehre der australischen Statiker und Brückenbauer appellierte: „Ey, bauts amoal a gescheite Brücke her!“
Das war dann doch der Moment, wo ich mir wünschte, dass Larissas Part im Dschungelcamp Scripted Reality ist. Ist er aber nicht. Ich glaube, dass Larissas Welt auch ohne Farbfernsehen und ganz in echt verhaltensgestört, unzurechnungsfähig ist und mehr als nur ein bisschen stulle ist. Ein Satz wie „Wenn ich mir hier das Genick breche, verklag ich RTL“ spielt jedenfalls ganz oben in der Dämlichkeits-Liga. Und da war Joey Heindle bis jetzt unangefochtener Tabellenführer. Mit seinem legendären „Ich möchte hier morgen nicht tot aufwachen.“
Man soll ja da nicht immer hingucken und gaffen – aber so macht man’s nun mal bei einem medialen Auffahrunfall wie Larissa. Habt ihr gesehen, wie sie bei der Dschungelprüfung dilettiert hat? Oder wie sie ihre Zigaretten sucht? Ich sag nur: Operative Hektik ersetzt geistige Windstille. Gern würde ich ihr Becketts „Warten auf Godot“ schenken, und wenn sie mich nach der Lektüre fragen würde, wann denn dieser Godot nun endlich kommt, wüsste ich, was ich antworte: „Der kommt gleich.“
Seid ihr da bei mir, Annika und Philip? Und findet ihr auch, dass die Unterhosen von derdiedas Wendler (was soll das sein, ein 90er-Jahre-Revival unter der Gürtellinie, gesponsert von Bruno Banani?) für sich genommen auch eine Dschungelprüfung sind? Und wieso spricht derdiedasWendler von sich selbst immer in der dritten Person? Winnetou und Lothar Matthäus dürfen das, aber diese Flitzpiepe?
Tja, und dann war da noch das Gemächt von Winfried Glatzeder. Der Klekih-petra des Camps – so weiß wie weise – betrieb Körperpflege im südlichen Bereich, und deshalb haben die von RTL seinen Schniedelwutz gleich mehrfach gezeigt. Muss ich nicht haben, kann ich mich aber auch nicht drüber echauffieren. Richtig eklig wurde es sowieso erst im Anschluss ans „Dschungelcamp“. Oder wie es Daniel Hartwich formulierte: „Jetzt ist hier Schluss mit Comedy, gleich kommt Mario Barth.“
So, Post ist raus – ihr seid dran,
Schöne Grüße,
Martin
