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Digedags statt Micky Maus Digedags statt Micky Maus: Die Helden der DDR-Comics in einer Ausstellung in Gera

05.08.2016, 09:57
Vor Beginn der Ausstellung "Comic in der DDR" präsentiert der Kurator im Stadtmuseum in Gera (Thüringen) ein Original des ersten Mosaik-Heftes vom Dezember 1955
Vor Beginn der Ausstellung "Comic in der DDR" präsentiert der Kurator im Stadtmuseum in Gera (Thüringen) ein Original des ersten Mosaik-Heftes vom Dezember 1955 dpa-Zentralbild

Gera - Offiziell waren Comics in der DDR oft nur gelitten. Doch in der Bevölkerung standen die Abenteuer der Digedags, Abrafaxe und der Mäuse Fix und Fax hoch im Kurs. So bedienten sich neben den Comic-Magazinen „Mosaik“ und „Atze“ auch andere Zeitschriften immer wieder solcher „Bildgeschichten“. Oft ging es darin allerdings ideologisch zu mit Sujets rund um die Oktoberrevolution, dem Kampf der Partisanen oder dem Aufbau des Sozialismus.

Die vielen Facetten des DDR-Comics, von dem nur das „Mosaik“ überdauert hat, zeigt das Stadtmuseum Gera in einer Ausstellung.

Erste Comics in der DDR gegen den „West-Schund“

Einen ersten Schub habe der Comic in der DDR Mitte der 1950er Jahre erhalten, erläutert der Historiker und Comic-Forscher Michael Scholz. „Unter dem Eindruck der West-Comics entstand damals in der DDR die Idee: Wir müssen etwas Eigenes machen, was wir dem „West-Schund“ entgegensetzen können.“ Dabei habe man sich in der Tradition von Wilhelm Busch und Heinrich Zille gesehen. Daraufhin starteten damals das „Mosaik“ mit den drei Helden Dig, Dag und Digedag von Hannes Hegen sowie die „Atze“, deren Zugpferde die Mäuse Fix und Fax aus der Feder von Jürgen Kieser wurden. Aber auch Jugendzeitschriften wie die „Frösi“ bedienten sich dieses bei Kinder und Jugendlichen beliebten Mediums.

Nach dem Aufstand in Ungarn 1956 sei die Offenheit vorerst vorbei gewesen - zwar erschienen „Mosaik“ und „Atze“ weiter, doch in vielen anderen Magazinen wurde erst einmal auf Comics verzichtet, wie Scholz berichtet. Zudem erhielt das sonst als unpolitisch geltende „Mosaik“ zeitweise Beilagen, in denen etwa aus dem Pionierleben erzählt wurde; in der „Atze“ wurde ein Polit-Comic je Ausgabe fest etabliert.
Erst ab Ende der 60er Jahre wurde der Comic wieder breiter forciert - auch um die Bürger politisch zu beeinflussen. So boten etliche Magazine wie die „Neue Berliner Illustrierte“, die „Für Dich“ oder die „Freie Welt“ vor allem auf ihren Kinderseiten regelmäßig längere Serien wie „Der Schatz von Finkenrode“ oder „Auf der Knolle ist was los“. „Diese zeichnerisch und sprachlich modern erzählten Geschichten setzen starke Akzente hin zu einer eigenen Comic-Kultur in der DDR“, sagt der Kurator der Geraer Ausstellung, Matthias Wagner.

Sprechblasen wie in den bekannten westlichen Micky Maus- oder Asterix-Heften sucht man in den DDR-„Bildgeschichten“ oft vergebens. Die waren laut Scholz verpönt. Ebenso wie amerikanische Superhelden à la Super-, Bat- oder Spiderman. Dafür konnten die Leser der Pionierzeitschrift „Frösi“ Geschichten von „Otto und Alwin“ - einem grünen Orang-Utan und einem Pinguin - lesen oder des kleinen Roboters Atomino. Häufig wurden auch Comics vor allem aus Ungarn gedruckt, wie Kurator Wagner weiß. „Darunter finden sich dann auch action-lastigere Stoffe in realistischem Zeichenstil nach James-Bond-Manier.“

Wie die Digedags von den Abrafaxen abgelöst wurden

Aushängeschild des DDR-Comics blieb aber über all die Jahre das „Mosaik“, dessen Auflage von mehreren Hunderttausend Exemplaren nach Experteneinschätzung nur durch die Papierrationierung begrenzt war. Deren Helden - die Digedags - wurden 1975 nach dem Ausscheiden von Hannes Hegen von den Abrafaxen abgelöst. „Qualitativ war das Mosaik vielen westdeutschen Comics weit überlegen. Hier wurde Kulturgeschichte vermittelt“, konstatiert Scholz, der an der schwedischen Universität von Uppsala forscht. Qualitativ seien Hegens Comics auf Augenhöhe etwa mit Hergés „Tim und Struppi“.

So ist diesem Magazin in Gera auch rund ein Drittel der Ausstellung gewidmet - neben der Erstausgabe von 1955 wird der Wandel mit verschiedenen Serien à la Ritter Runkel über die Jahrzehnte verdeutlicht. Ergänzt wird das Ganze etwa durch Karikaturen Hegens (1925-2014), die er Anfang der 1950er Jahre für die Satire-Zeitschrift „Frischer Wind“ geschaffen hat.

Im Stadtmuseum werden rund 300 Exponate zu 90 verschiedenen Comic-Serien gezeigt - alles Originale etwa von Sammlern und aus dem eigenen Bestand, betont Wagner. „Wir wollen damit die Vielfalt des DDR-Comics vorstellen. Für viele Besucher dürfte es eine Reise in die eigene Kindheit werden.“ Zu sehen sind dabei auch eindeutig ideologische Sujets ebenso wie Comics zu Literatur-Klassikern wie „Tom Sawyers Abenteuer“, „Bambi“ und „Der Graf von Monte Christo“.

Das Interesse am DDR-Comic hat letztlich die DDR um Jahrzehnte überlebt. Das zeigen nicht nur das Fortbestehen des „Mosaik“, das heute als ältestes deutsches Comic auf dem Markt gilt, und die Preise, die Sammler für einzelne Hefte zahlen, sondern auch die Ausstellungsarbeit der Museen. So zeigte das Industrie- und Filmmuseum Wolfen in den vergangenen Monaten eine Schau „Atze und Mosaik: Geschichte und Politik in DDR-Comics“; das Museum der Rochsburg in Sachsen widmet sich noch bis Mitte Oktober den Digedags und Ritter Runkel. (dpa)