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«Die Windfängerin» «Die Windfängerin»: Spurensuche in der Schauspielschule

Von Günter Werz 19.10.2004, 17:08

Berlin/MZ. - Alles stimmt noch, selbstder Straßenname ist unverändert: "Am BahnhofSchöneweide steigt Rune aus, geht die Schnellerstraßehinab. Einmal ist sie heimlich hier gewesen,hat auf das Gebäude gestarrt, in dem Glückgelernt wird. Jetzt darf sie hinein."

Was die Magdeburger Autorin Ingrid Hahnfeldin ihrem Werk "Die Windfängerin" erzählt,ist auch heute - fast 50 Jahre später - nochaktuell: Der Weg in Deutschlands berühmtesteCharakterschmiede, die international angeseheneHochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch".Ein Lese-Abend der besonderen Art ließ nundieses bedeutende Kapitel der Film- und Theatergeschichteder DDR noch einmal lebendig werden. Von "bewegendenAugenblicken" sprach dabei die Autorin, diegemeinsam mit dem Gröbziger Rinke-Verlag ihrefrüheren Absolventen-Kollegen zum gehobenen"literarischen Klassentreffen" versammelthatte: Doris Abesser, Marita Böhme, KatharinaFrohriep, Dietlind Müller-Stahl, Viktor Deiss,Peter Gröger, Jürgen Hentsch, Alfred Müllerund Karl Sturm ...

Es war die Ära von Helga Hahnemann, von ArnoWyziniewski und vielen anderen berühmten Schauspielern,mit denen Ingrid Hahnfeld während ihrer "Lehr-und Wanderjahre" zu tun hatte. Von 1956 bis1959 studierte die Schriftstellerin an derHochschule, elf Jahre war sie danach Schauspielerinin Greifswald und Dresden.

Den Weg zurück an den Ursprung hatte LektorinKerstin Rinke ("Ich bin mit Ingrid Hahnfeldseelenverwandt - deshalb fällt mir die Arbeitmit ihr so leicht") angeregt. Zwar ließ sichdie geplante szenische Darstellung der "Windfängerin"nicht realisieren - doch erwies sich die sogesteigerte Konzentration auf den akustischenReiz des Romans als vorteilhaft. Die starkautobiografische Geschichte eines Behauptungskampfes,fesselt dank seiner extremen erzählerischenDichte. Die Autorin, 1937 in Berlin geboren,schildert anrührend und äußerst mutig, wiesehr es sich lohnt, niemals aufzugeben.

Eigentlich heißt Rune, die Protagonistin dieseseindrucksvollen Romans, Heidrun. Doch derSpitzname paßt gut zu ihrem wildwüchsigenCharakter. Denn durch die Selbstüberschätzungeiner Hebamme um die Unversehrtheit ihrerHände gebracht, muss sie sich gegen Vorurteiledurchsetzen... Nach der umjubelten Lesung,bei der sich viele Absolventen als Romanfigurenwieder erkannten, gab es noch eine optischeWiedersehensfeier - Privataufnahmen aus den50er und 60er Jahren ließen Erinnerungen andie Ausbildung in Schöneweide wach werden.Und so blieb es der einzige Wermutstropfen,dass das Direktorium der Schule bei diesemProminenten-Treffen durch Abwesenheit glänzte.

Ingrid Hahnfeld: "Die Windfängerin",Dr. Rinke-Verlag Gröbzig, 296 Seiten, 9,90Euro