Die ungeschminkte Wahrheit Die ungeschminkte Wahrheit: So hart schufteten Frauen in der DDR

Halle (Salle) - Eine Arbeiterin sitzt, den Kopf auf eine Hand gestützt, allein im Pausenraum eines Chemiebetriebs irgendwo in der DDR. Umgeben ist sie von Wänden mit schriller Blumendekortapete, zwei Wandzeitungen und dem obligatorischen Honecker-Porträt. Die Zuleitung der Heizung windet sich durch das Zimmer, als erschrecke sie sich vor der Szene ebenso wie der Betrachter des Jahres 2019.
Dieses Bild ist eines von mehr als 200, die die 1942 in Magdeburg geborene und in Berlin lebende Fotografin Barbara Köppe 1988/89 in mehreren chemischen Betrieben der DDR aufgenommen hat. Eine Auswahl aus der Serie zeigt die Kunsthalle „Talstrasse“ in Halle parallel zur Ausstellung „Die schaffende Galatea“ unter dem Titel „Frauen, Schönheit, Schicht: Frauen im VEB Kosmetik-Kombinat“.
Ein geschlagenes Jahr habe Barbara Köppe kurz vor der politischen Wende auf die Genehmigung warten müssen, um in der Produktion fotografieren zu dürfen, sagt Matthias Rataiczyk, der die Ausstellung gemeinsam mit Ursula Roper kuratierte. Aber nicht die lange Wartezeit überrascht, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Genehmigung überhaupt erteilt wurde.
Denn der Blick hinter die Kulissen von VEB Berlin Kosmetik, VEB Chemische Werke Miltitz oder VEB Elbe Chemie Dresden zeigt hart arbeitende Frauen, „deren Alltag überwiegend grau, beschwerlich, monoton und infolge überalterter Technik oft unzumutbar schien“, wie sich Barbara Köppe im Jahr 2012 erinnerte.
Die Fotografin bietet in ihrer Bildreportage nichts weniger als die ungeschminkte Wahrheit über die teils menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in der DDR. Dennoch standen die Frauen auch in der Kosmetikproduktion ihren Mann. Man sieht sie mit Atem- und Augenmaske, mit ölverschmierten Händen und in schäbigen Räumen, die Arbeitsplätze zu nennen eigentlich ein Hohn ist.
Ohne Frauen wäre die DDR-Wirtschaft zusammengebrochen, wie allein die Mitarbeiterstatistik des Kosmetik-Kombinats zeigt: Von den 8 500 Mitarbeitern der acht Betriebsteile waren stattliche 75 Prozent weiblich.
Dass die schwere Tätigkeit in der Chemie bei den Frauen ihre Spuren hinterließ, zeigen die Porträts nur zu deutlich: Man blickt zwar meist in junge, aber durchweg erschöpfte Gesichter.
Köppes Fotos entstanden übrigens im Eigenauftrag. An eine Veröffentlichung war in der DDR nicht zu denken. (mz)
››Barbara Köppe: „Frauen, Schönheit, Schicht: Frauen im VEB Kosmetik-Kombinat 1988/89“, bis zum 13. Oktober in der Kunsthalle „Talstrasse“ Halle