"Die schwarze Spinne" "Die schwarze Spinne": Schweizer Horror auf Naumburger Bühne

naumburg/MZ - Dieser Text ist nichts für Schreckhafte. Wer Jeremias Gotthelfs „Die schwarze Spinne“ (1843) jedoch angstfrei lesen kann, wird feststellen: Es ist eine faszinierend-suggestive Prosa, die den schönen Schrecken Edgar Allan Poes mit der geerdeten Fantastik Franz Kafkas verknüpft. Einen auf Jean Paul gemünzten Ausspruch Franz Fühmanns variierend, ließe sich auch sagen, dass Gotthelf unter allen unbekannten Klassikern der unbekannteste ist. Sehr zu Unrecht.
„Die schwarze Spinne“ etwa erfüllt strukturell alle Anforderungen, die eine Novelle – die gern als kleine Schwester des Dramas bezeichnet wird – ausmachen. Und die Diktion ist von einer vielleicht manierierten, aber sofort in den Bann ziehenden Eindringlichkeit, kraft derer man Gotthelfs Stil auch dann erkennt, wenn sein Name nicht genannt sein sollte.
Das Theater Naumburg zeigt eine von Alvaro Schoeck, der auch Regie führt, für die Bühne adaptierte Version der Meister-Novelle. Schoeck ist, wie Gotthelf, Schweizer und hat den Prosatext des Landsmannes nur etwas gekürzt. Was auf schmalem Holzpodium (Bühnenbild Ruth Krottenthaler), zu dessen beiden Längsseiten das Publikum sitzt, gezeigt wird, ist in Gotthelfs Novelle die Geschichte in der Geschichte: Der Pakt mit dem als grünen Jäger erscheinenden Teufel, der den Bauern hilft, einen Auftrag zu erfüllen, und die Heimsuchung des Dorfes durch die schwarze Spinne, weil die Bauern meinen, dem Unaussprechlichen seinen Lohn, ein ungetauftes Kind, schuldig bleiben zu können.
Erst eine List vermag die Spinne zu bannen. Dennoch müssen zwei Jahrhunderte vergehen, ehe dem höllischen Getier der Garaus gemacht wird. Bis dahin sind die Opferzahlen bei Mensch und Tier erheblich.
So ehrenwert es von Alvaro Schoeck ist, Gotthelfs Vorlage nicht verhackstückt zu haben, so bedenklich ist es, diese hoch verdichtete Prosa einfach zu übernehmen und von drei Akteuren im Wechsel rezitieren und mit nur wenig Bühnenbewegung illustrieren zu lassen. Interaktion ist so kaum möglich, weil die Fabel monologisch dargeboten wird. Pantomimische Elemente werden eingesetzt, oft verharren die Akteure auch in lebenden Bildern. Schauspiel im strengen Sinne ist das zwar nicht, aber wider Erwarten spannend.
Soheil Bohoumand (Christen), Holger Vandrich (Pfarrer) und als Gast Isabelle Feldwisch (Christine) lassen den Zuschauer dank großer Spielfreude teilhaben an der unerhörten Begebenheit, in deren Verlauf uns der Grüne mit der feuerroten Hutfeder samt schwarzer Spinne das Gruseln lehrt – und nebenbei Goethes Mephisto harmlos erscheinen lässt.
Bohoumand ist ein Luzifer mit umwerfendem Charme, Vandrich voll religiöser Inbrunst und Feldwisch selbst dann lolitahaft kokett, wenn ihre Christine schon des Wahnsinns Beute ist. Und noch beim Verlassen des Theaters glaubt man Gotthelfs „Gramseln“ im Gebälk zu hören.
Nächste Vorstellungen: Am 27. April und 10. Mai, jeweils um 19.30 Uhr. Karten unter 03445/27 34 80