"Die irre Heldentour des Billy Lynn" von Ang Lee

New York - Eigentlich müsste „Die irre Heldentour des Billy Lynn” ein herausragender Film sein: Ang Lee („Brokeback Mountain”) führt Regie und wagt sich an beeindruckende neue 3D-Technik. Ben Fountain liefert eine Buchvorlage, die für viele zu den wichtigsten Romanen der vergangenen 15 Jahre zählt.
Kristen Stewart und Garrett Hedlund bringen Tiefe vor der Kamera, Newcomer Joe Alwyn ist in der Hauptrolle eine echte Entdeckung. Und doch ist die Summe des Films nicht größer als ihre Teile.
Alwyn spielt Billy Lynn, einen Heimkehrer aus dem Irakkrieg, der unfreiwillig als Held gefeiert wird. Er hat während eines Gefechts sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, um einen Kameraden zu retten und wird deshalb vom US-Militär zu Werbezwecken herumgereicht. Höhepunkt der Tour mit seiner Bataillon „Bravo Squad” soll der Auftritt während der Halbzeitpause eines Football-Spiels werden. Der Film erzählt die Geschichte dieses Tages, immer wieder versetzt mit Rückblenden in den Krieg.
Ang Lee, der schon in „Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger” fantastische Bildwelten schuf, inszeniert diesen Stoff in einer neuartig gefilmten 3D-Technik. Während ein normaler Film aus etwa 24 Bildern pro Sekunde besteht, hatte „Der Hobbit” 48 Bilder. Für „Billy Lynn” nutzt Lee 120 Einzelbilder pro Sekunde.
Der Effekt für die Zuschauer ist vergleichbar mit dem hyperrealen Aussehen von HD-Spielfilmen auf großen Fernsehern - und leider sind bisher nur wenige Kinos so ausgestattet, dass sie den Film in seiner vollen Pracht zeigen können. Es ist außerdem zu auffällig, wie Lee regelmäßig einzelne Elemente in die drei Bilderebenen stellt, um Tiefe zu erzeugen. Das Auge wandert hin und her, die Effekte beeindrucken - doch die Zuschauer werden so immer wieder aus der Handlung herausgezogen.
Das ist schade für Lee und sein Team, denn schauspielerisch wird das Thema in „Billy Lynn” gut abgehandelt, wenn auch naturgemäß nicht so nuanciert wie in der Buchvorlage. Lynn sagt Sätze wie „Ich habe mich daran gewöhnt, das zu sagen, was die Leute hören wollen”, oder „Ich wünschte, es gäbe einen Weg, dass du stolz auf mich wärst”. Damit wird zwar die Gemütslage seines Soldaten gut angedeutet, aber letztlich kratzen diese Aussagen nur an der Oberfläche.
Keine Frage, die Geschichte vom depressiven Soldaten ist zeitgemäß und viele politische Debatten in den USA kreisen um den richtigen Umgang mit den Veteranen und ihren Traumata. An den Kinokassen und im Preis-Zirkus der aktuellen Oscar-Saison ging das Drama aber trotzdem unter. Das muss nicht nur am Film selbst liegen, möglicherweise gibt es nach dem vor einigen Jahren bereits prämierten „Tödliches Kommando”, der Doku „Restrepo” und einer actionlastigen Aufbereitung des Anschlags auf die Botschaft in Benghazi inzwischen eine Übersättigung.
Es bleibt also ein Film, für den Lee zweifelsohne Anerkennung gebührt - kein anderer Regisseur setzt sich derzeit so sehr dafür ein, dass im Kino auch abseits von Animationsfilmen ernsthafte Dramen mit neuen Mitteln erzählt werden. Auch der Film selbst zeigt eine wichtige Geschichte. Letztlich werden viele Zuschauer auf ihrem Weg nach Hause aber eher über dessen technische Gimmicks als über die Handlung sprechen.
Die irre Heldentour des Billy Lynn, USA 2016, 110 Min., FSK ab 12, von Ang Lee, mit Joe Alwyn, Kristen Stewart, Vin Diesel und Garrett Hedlung. (dpa)