1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Die Insel Usedom im Dritten Reich: Die Insel Usedom im Dritten Reich: Paradies für Urlauber als Raketen-Basis

Die Insel Usedom im Dritten Reich Die Insel Usedom im Dritten Reich: Paradies für Urlauber als Raketen-Basis

Von Kai Agthe 03.07.2018, 10:00
Nachbildung der Flugbombe Fi 103 (V 1) in Peenemünde
Nachbildung der Flugbombe Fi 103 (V 1) in Peenemünde dpa

Halle (Saale) - Usedom ist Deutschlands zweitgrößte Insel und vor allem wegen der hohen Zahl an Sonnenstunden sowie des 42 Kilometer langen und teilweise 100 Meter breiten Sandstrandes ein Urlauberparadies. Das Badewesen erlebte hier durch die im Jahr 1876 eröffnete Bahnstrecke von Berlin nach Swinemünde, die die Reisezeit auf zweieinhalb Stunden verkürzte, einen nachhaltigen Aufschwung. Seither wurde Usedom gern als „Badewanne der Berliner“ bezeichnet.

Ab 1938 kam Usedoms Badewesen fast zum Erliegen

Doch nach 1933 zogen auch über dem sonnenverwöhnten Eiland dunkle Wolken auf. Bereits im Jahr der Machtübergabe an Hitler erklärte Wilhelm Karpenstein, der Gauleiter Pommerns, Bansin zum „ersten judenfreien deutschen Bad“. Ab 1938 kam Usedoms Badewesen jedoch fast zum Erliegen: Das Sperrgebiet um die Heeresversuchsanstalt in Peenemünde wurde in besagtem Jahr bis nach Zinnowitz erweitert: Meeres- und Sonnenbaden war in dem genannten Bereich fortan verboten.

Martin Kaule erzählt davon in dem schmalen Band „Usedom 1933-1945“, der in der Reihe „Orte der Geschichte“ des Ch. Links Verlags erschienen ist (hier bei Amazon kaufen). Es ist ein auf 64 Seiten verdichteter Einblick in die Geschichte der Insel während der NS-Herrschaft, die eng mit besagter Heeresversuchsanstalt verknüpft ist. Die befand sich an der Nordspitze der Insel, wo jene Raketentechnologie entwickelt wurde, die als „Vergeltungswaffe“ Angst und Schrecken verbreiten sollte.

Ruinen ehemaliger Testgelände finden sich unter anderem bei Zempin

Neben Peenemünde finden sich Ruinen ehemaliger Testgelände unter anderem bei Zempin, wo ebenfalls eine Abschussrampe für die Flugbombe Fieseler Fi 103 stand, die von der NS-Propaganda „Vergeltungswaffe 1“ (V 1) genannt wurde und der weltweit erste Marschflugkörper war.

Zeugnisse für die Rüstungsindustrie des Dritten Reiches sind auch auf Usedoms und heute zu Polen gehörender Schwester, der Insel Wollin, zu sehen. Südlich von Miedzyzdroje (Misdroy) kann man jenes Gelände besichtigen, wo man Versuche mit dem „Mehrkammergeschütz Langrohrkanone LRK 15“ unternahm, das als V 3 bezeichnet wurde.

Davon lesend, ist es umso beruhigender zu wissen, dass die Sonneninsel Usedom heute allein friedlich genutzt wird. (mz)

Martin Kaule: Usedom 1933-1945, Ch. Links Verlag, 64 S., 5 Euro (hier bei Amazon kaufen)