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Die Fülle des leeren Raums Die Fülle des leeren Raums: In Leipziger Kunsthochschule ist wieder "Rundgang"

Von günter kowa 16.02.2013, 20:20
Blick in den Lichthof der Leipziger Kunsthochschule: Jaeyong Choi zeigt die Arbeit „Vermehrung_Milchstraße #4“.
Blick in den Lichthof der Leipziger Kunsthochschule: Jaeyong Choi zeigt die Arbeit „Vermehrung_Milchstraße #4“. Jana Slaby Lizenz

leipzig/MZ - Im Lichthof der Leipziger Akademie schwebt eine Wolke, genannt „Milchstraße“, aus zigtausend weißen Kabelbindern filigran verwoben. Doch die Kunst an der Hochschule steigt nicht allenthalben so leicht in die Höhe. Sie landet auch klatschend am Boden. Ein Student der Medienkunst wirft bergeweise leere Bewerbunsgmappen von der Empore, und mit jeder ist eine Ablehnung, ein Versagen gemeint.

Das Haus ist wie immer voll mit Besuchern in Partylaune, die neugierig auf den Jahresertrag aus den Klassen und Projektgruppen sind. An den Wänden und in den Fluren wimmelt und flimmert es, Fingerübungen vieles, tastende Schritte, bis hin zu thesenhaften Diplomarbeiten. Halb Ausstellung, halb Momentaufnahme, halb professionell, halb studentisch, wie Petra von Olschowski, Rektorin der Stuttgarter Akademie als Gastrednerin sagt, von der sich ihre Leipziger Kollegin Ana Dimke die Bürde einer Lagebestimmung abnehmen lässt.

Was zu den Bedingungen der Lehre, was zum Findungsprozess zu sagen ist, es sind die Studenten, die es tun. Die Klasse Bildende Kunst im Medienzweig der Hochschule taucht ihren leergefegten Raum in reines Weiß, von Arbeiten nichts zu sehen außer einer Loseblattsammlung von Reproduktionen, auf Tischen gestapelt.

Eine Etage drüber ist ein Raum „verschwunden“, zugenagelt, ein virtueller Student steht vor verschlossener Tür. Künstler ohne Raum, sozusagen, konfrontiert mit Überfüllung und Platzmangel. Dabei hinterlässt der aktuelle Jahrgang der Diplom-Absolventen kaum nachhaltigen Eindruck, wenig, das in Erinnerung bleibt. Epigonales hat Konjunktur. Eine aus Trinkhalmen und Fundstückchen wuchernde Plastik gab’s vor Jahren ähnlich und besser schon mal in der Galerie für zeitgenössische Kunst nebenan.

In Astrid Kleins Klasse ist die Bandbreite medialer Ausdruckformen enorm, und auch hier geben gestelzte Nachahmer Showeinlagen: Eine Ekel-Plastik aus frankensteinisch zusammengesetzten und sexualisierten Zwitter-Leibern fügt der Traditionslinie von Hans Bellmer zu den Chapman-Brüdern außer einem Wahn in Pink wenig Neues hinzu. Die Malerei bei Anette Schröter wirkt gewohnt saftig, ein Bild mit monströsen Tortenstücken fällt auf. Die Neo Rauch-Meisterschüler üben sich in Rätseln, darunter ein Exkurs ins Mystisch-Surreale bei Titus Schade, der brennende Scheiterhaufen und Kerzenkreise vor einem Fachwerkhaus räumlich irreal in Stellung bringt.

Heribert Ottersbachs Klasse setzt das Spiel mit den Glaubenssätzen der Moderne fort, hie und da in reizvoll feinsinniger Manier, Sophia Loths romantisierende Wolkenmalerei etwa, oder Rania Akls mit Stickerei und Nähten überzogene Bilder aus Papier und anderen Materialien. Die an ihren Werkstätten orientierte Hochschule bietet immer mehr Zugänge zu neuem medialen Terrain, und das Nachdenken darüber, das Reflektieren in konzeptuellen Diskursen ist vielleicht eine naturgemäße Folge davon.

HGB Leipzig: Wächterstraße 11, heute und morgen von 11 bis 22 Uhr