«Die Freundin» «Die Freundin»: Spannende Krimi-Miniaturen von Petra Hammesfahr
Reinbek/dpa. - Es gibt viel Böses in der Welt, denkt der Leser nach der Lektüre eines Krimis der deutschen Erfolgsautorin Petra Hammesfahr. Nach ihren ersten starken Büchern ("Der stille Herr Genardy") und ihren letzten eher schwachen Krimis erreicht Hammesfahr mit ihrem neuen Erzählband "Die Freundin" wieder ihre alte Größe - einer Variationenfolge des Themas vom Selbstbetrug, einer Beispielsammlung über das große Talent der menschlichen Spezies, zu lügen, zu betrügen, zu täuschen und zu töten.
Opfer sind in den hoch spannenden, hintersinnigen und manchmal auch komischen Erzählungen keineswegs nur Frauen. Im Gegenteil: Allzu oft geraten Männer, von ihren Trieben gesteuert oder besessen auf der Suche nach Liebe, in das Netz des Spinne. In den Geschichten ist nichts, aber auch gar nichts so, wie es zu sein scheint. Die Autorin schafft es immer wieder, ihre Leser hinters Licht zu führen und am Ende zu überraschen. Besonders dann, wenn sie die Geschichte vom Täter oder Opfer selbst erzählen lässt, verführt sie dazu, deren Perspektive zu folgen.
In der Titelstory etwa glaubt ein junger Mann mit seiner neuen reichen Freundin das große Los gezogen zu haben. Doch er - und wir mit ihm - tappen ohne Zögern in die tödliche Falle, die ihm die Psychopatin mit Prada-Täschchen gestellt hat. In "Jesse James oder Billy the Kid" pariert eine Unternehmergattin den Mordanschlag mit den Waffen einer Frau und führt dabei nicht nur den Killer, sondern auch die Leser an der Nase herum. In einer weiteren Erzählung wird "Der Blinde" Opfer eines perfiden Planes, der ihn zur Verzweiflungstat treibt.
Nur zu bereitwillig lassen sich die Menschen etwas vormachen: So glaubt die Pschologiestudentin in der Erzählung "Der Hausmeister", den triebhaften Hausmeister im Griff zu haben, der wiederum verdrängt seine kranken Neigungen so lange, bis sie aus ihm hervor brechen. Die Übertragung, die Verlagerung heftiger Gefühle auf einen anderen Menschen, spielt auch eine große Rolle beim unheilvollen Geschehen. So wird ausgerechnet die junge Geliebte in der Geschichte vom "Ausbruch" das Opfer des unbändigen Hasses ihres Freundes auf seine Frau.
Das Böse kommt bei Hammesfahr sehr banal daher, bricht ein in die vermeintlich heile Welt und lässt sie zusammen brechen wie ein Kartenhaus. Die Autorin hat es nicht nötig, ihre Leser mit blutrünstigen Szenen bei der Stange zu halten. Vielmehr zieht sie den Leser mitten hinein in das Labyrinth der menschlichen Psyche, lässt ihn in die Tiefen verirrter Seelen tauchen und in überraschende Fallgruben stürzen. Das ist so intelligent ausgedacht und so gekonnt geschrieben, dass es allemal spannender ist als jeder Psycho-Thriller der knallharten Art.
Petra Hammesfahr
Die Freundin
Wunderlich Verlag, Reinbek
397 S. Euro 19,90
ISBN 3-8052-0726-3