Die Filmgalerie 451 ist eine Talentschmiede
Stuttgart/dpa. - Eine Videothek gibt es an jeder Ecke. Eine Videothek mit mehr als 20 000 Titeln und eigenem Kinosaal ist etwas Besonderes. Und eine Videothek, deren Mitarbeiter Filme schreiben, drehen, im eigenen Label vertreiben und dann verleihen - das dürfte einzigartig sein.
Begonnen hat die Geschichte der Filmgalerie 451 vor zwanzig Jahren in Stuttgart. Inzwischen ist daraus ein Unternehmen entstanden, das für den jungen deutschen Film wichtiger ist als so mancher Unterhaltungsgigant und zwei Filialen in Berlin und Konstanz hat.
Die größte von drei Filmgalerie-Videotheken in Stuttgart ist beinahe so etwas wie eine Brutstätte für Nachwuchstalente des deutschen Films. Der Drehbuchautor des Hollywood-Blockbusters «Flightplan» mit Jodie Foster, Robert Schwentke, hat genauso im Inneren des rot angestrahlten Backsteinhauses gearbeitet wie der Drehbuchschreiber des hochgelobten Exorzismusdramas «Requiem», Bernd Lange, oder Zoran Bihac, Regisseur von Musikclips für die Band Rammstein und die Fantastischen Vier. «Bei uns haben immer Leute gearbeitet, die auch Film machen wollten», erzählt der Geschäftsführer der Stuttgarter Filiale, Marc Hug.
Diese Filmbegeisterung zeigt sich auch bei den Kunden - auch deren Geschmack liegt abseits des Mainstreams. «Das ist ein wenig wie mit normalen und Arthaus-Kinos», sagt Hug und ergänzt schmunzelnd: «Wir haben im Laufe der Jahre unsere Kunden auch ein wenig erzogen.» Und die nehmen einige besondere Angebote der Videothek gerne an: Eine ganze Wand ist für Klassiker berühmter Regisseure reserviert. Eng aneinander stehen die Titel von Hitchcock, Kaurismäki, von Trier und Konsorten. Da wundert es kaum noch, dass im vergangenen Jahr kein Blockbuster, sondern die Mundart-Komödie «Wer früher stirbt, ist länger tot» der meistausgeliehene Titel war. «Manche Mainstreamkomödien, die ein halbes Jahr nach Erscheinen niemand mehr sehen will, haben wir gar nicht», erklärt Hug. Die Videothek habe stattdessen eher den Anspruch ein kommerzielles Archiv für modernen Film zu sein.
Allerdings ein Archiv, das eben als wirtschaftliche Basis für eigene Produktionen gegründet wurde. Auch Hug entwickelt Stoffe für Drehbücher und setzt sie selbst um. Zu den berühmtesten Lehrmeistern des 47-Jährigen zählt der bekannteste Filmemacher Baden-Württembergs, Roland Emmerich. Sein aktuelles Projekt bezeichnet er als «filmisches Manifest, eine Dokufiction über ein Deutschland der Zukunft, in dem die soziale Schere noch weiter auseinandergeht».
Gerade die kleinen, intelligenten Filme dieser Art sind es, die auch das in Berlin ansässige DVD-Label der Filmgalerie vertreibt. Geleitet vom ehemaligen Inhaber der Stuttgarter Videothek bekommen dort Filme wie «Marseille», «Lucy» und «Montag kommen die Fenster» eine Chance, auf DVD mehr Menschen als in den Kinosälen zu erreichen. Im Ausland prägen diese ruhig erzählten, aber schonungslos realistischen Filme unter dem Begriff «Berliner Schule» häufig das Bild des jungen deutschen Kinos. Dass die Wiege der Berliner Schule aber auch zum Teil in Stuttgart steht, dürfte wohl nur den Wenigsten bekannt sein.