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Der unbekannte Jan Steen in Den Haag

13.02.2018, 15:59
Das Gemälde „Die Wut des Ahasver” in der Ausstellung „Jan Steen erzählt” im Mauritshuis. Foto: Annette Birschel
Das Gemälde „Die Wut des Ahasver” in der Ausstellung „Jan Steen erzählt” im Mauritshuis. Foto: Annette Birschel dpa

Den Haag - Jan Steen (1626-1679) ist ein Meister-Erzähler mit Pinsel und Palette: Bekannt und beliebt ist der holländische Maler wegen seiner komischen Darstellungen des alltäglichen Lebens im 17. Jahrhundert.

Chaotische Haushalte, laute Herbergen, Quacksalber, verführerische Damen, dumme Männer, lüsterne Greise, Trunkenbolde. Doch nun zeigt das Mauritshuis in Den Haag eine ganz andere, unbekannte Seite des Malers. 21 Historien-Gemälde sind von Donnerstag an in der Schau „Jan Steen erzählt” zu sehen.

Steen suchte sich seine Motive nicht nur im prallen Leben, sondern auch in der Bibel, der Mythologie und der Antike. Aber Vorsicht, man hat es mit Jan Steen zu tun. „Er führt uns gern an der Nase herum”, sagt die Kunsthistorikerin Ariane van Suchtelen, die die Ausstellung zusammenstellte.

Der holländische Meister gibt den bekannten Geschichten einen ganz eigenen Dreh, menschlich und realistisch. „Und er fügt auch komische Elemente hinzu, wie wir das aus den anderen Bildern kennen”, sagt van Suchtelen.

Da wird zum Beispiel die biblische „Hochzeit zu Kana” ein Fest ganz nach dem Geschmack von Jan Steen: Die Stimmung ist gut, die Gäste trinken viel und lachen breit, Kinder spielen, eine alte Frau versucht, ihren sichtlich betrunkenen Mann nach Hause zu zerren. Ein leicht chaotisches Dorffest.

Doch dabei wird - wie von den Gästen selbst - das wirklich Wichtige dieser Wundererzählung übersehen. Versteckt und fast schon skizziert sieht man Jesus, der Wasser zu Wein verwandelt.

Wie seine Zeitgenossen so schöpfte auch Steen gern aus dem reichen Fundus historischer Motive, Legenden und Mythen - Geschichten voller Leidenschaft, voller Dramatik. Ideal für seine fast wie Theatervorstellungen konzipierten Bilder.

Steen stellte seine Figuren auf eine Art Bühne mit Kulissen und Emporen. „Im Mittelpunkt steht die menschliche Interaktion”, sagt van Suchtelen. Die Gesichter spiegeln große Gefühle wieder: Hass, Hinterhältigkeit, Hingabe, Humor.

Und auf diesen Gemälden sieht man, wie wundervoll er die Details malte. Die Juwelen funkeln, der Satin glänzt, und fast meint man, die Seide knistern zu hören. Im Hintergrund ist oft ein allwissender Erzähler oder Kommentator zu sehen, der den Betrachter mit einer Handbewegung auf etwas Besonderes hinweist.

Der weist zum Beispiel auf die nicht gerade heroische Delila bei der „Verspottung des Samson”. Sie hat Samson verführt, verraten und ihm die Haare, die Quelle seiner Kraft, abgeschnitten. Steen zeigt Delila als lüsterne Frau, die schon den nächsten Lover an ihre Brüste lässt, während sie den am Boden liegenden Samson mit einer obszönen Geste verspottet. Seine Botschaft ist deutlich, sagt die Kunsthistorikerin mit feinem Spott: „Gemeine Frauen richten dumme Männer zu Grunde.”

Ein beträchtlicher Teil des Gesamtwerkes von Steen sind solche Historienbilder. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts waren sie auch sehr gut verkauft worden. Doch dann entsprachen sie nicht mehr dem Geschmack und gerieten fast in Vergessenheit.

Das ist vermutlich auch der Grund, warum die „Verspottung des Samson” jahrzehntelang gar nicht als echter Jan Steen angesehen worden war. Man dachte, es sei eine Kopie. Erst beim Zusammenstellen der Ausstellung entdeckten die Experten des Mauritshuis das Bild im Depot des Kunstmuseums von Antwerpen. Nun strahlt es, frisch restauriert, in den feinen Sälen des Mauritshuis. (dpa)