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Denkmäler Denkmäler: Lea Rosh: «Ich hoffe, das verwächst sich»

Von Anett Indyka und Esteban Engel 14.11.2003, 13:36
Der amerikanische Architekt Peter Eisenmann besichtigt zusammen mit der Vorsitzenden des Förderkreises Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Lea Rosh, die aufgestellten Stelen-Modelle in Berlin. (Foto: dpa)
Der amerikanische Architekt Peter Eisenmann besichtigt zusammen mit der Vorsitzenden des Förderkreises Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Lea Rosh, die aufgestellten Stelen-Modelle in Berlin. (Foto: dpa) dpa/dpaweb

Berlin/dpa. - Lea Rosh sieht ihr Lebenswerk gerettet und ist trotzdem den Tränen nahe. Die Initiatorin für das Denkmal der ermordeten Juden Europas, die seit 15 Jahren für das Mahnmal im Herzen der deutschen Hauptstadt kämpft, hat gesiegt und verloren zugleich. «Ich hoffe, dass sich das verwächst», sagt die sonst so kämpferische Frau mit leiser Stimme nach der Entscheidung des Kuratoriums der Stiftung für das Denkmal, das Holocaust-Mahnmal doch mit Beteiligung der NS-belasteten Chemiefirma Degussa weiterzubauen.

Drei Wochen hatte die Diskussion um die Frage gedauert: «Ist es den Opfern des Holocaust zuzumuten, dass ein deutsches Unternehmen, dessen Tochter Giftgas für die NS-Vernichtungslager geliefert hat, ausgerechnet am Bau dieses Mahnmals beteiligt wird?» Nicht einmal drei Stunden hat es gedauert, bis das 22-köpfige Kuratorium die Entscheidung fällte: Es muss zumutbar sein, denn der Bau des Mahnmals darf nicht gefährdet werden. «Wir alle wollen das Mahnmal», sagt Lea Rosh leise und fast beschwörend zu sich selbst. «Wir wären acht gewesen, nicht einmal neun. Eine klare Minderheit.» - gegen den Weiterbau mit Degussa. Vermutlich verzichtete deswegen Wolfgang Thierse, der Bundestagspräsident und Vorsitzende des Kuratoriums, auf eine Kampfabstimmung um die heikle Frage.

Warum die Debatte um Degussa, deren Tochter Degesch zu NS-Zeiten das Todesgas Zyklon B hergestellt hatte und damit für den Mord an Millionen Juden mitverantwortlich wurde, erst jetzt entbrannte, bleibt völlig offen. «Bis vor drei Wochen gab es niemanden, der öffentlich meinte, jemanden vom Bau des Mahnmals ausschließen zu müssen oder zu können», erklärt Thierse. Und sagt fast nebenbei: Neben Degussa gibt es noch eine Reihe weiterer Firmen mit einer belasteten Vergangenheit, die am Bau beteiligt sind. Thierse nennt den Namen Bayer. Der Chemiekonzern hatte 1925 sein Vermögen der I.G. Farben übertragen, die zur Hälfte an der Degesch beteiligt war.

Die Geschichte dieser Firmen und die Debatte über ihre Beteiligung am Mahnmal soll nun Bestandteil der Gedenkstätte werden. «Das ist mir wichtig», betont Rosh. Thierse lobt insbesondere die Anstrengungen von Degussa zur Aufklärung der dunklen Firmengeschichte - eine Begeisterung, die einige Kuratoriumsmitglieder nicht teilen. Drastische Worte findet der Historiker Michael Wolffsohn. «Die Degussa hat wahnsinnige Lücken in der Aufarbeitung ihrer Geschichte. Wer etwas anderes behauptet, ist nicht informiert», sagte er der «Berliner Zeitung».

Degussa verweist dagegen auf mehrere Projekte, die sich mit ihrer Historie beschäftigen. Die vom Unternehmen beauftragten Wissenschaftler hätten völlig unabhängig gearbeitet und sich mit der Rolle von Degussa in der NS-Zeit eingehend beschäftigt. Zu den Gewinnern, die auch verloren haben, gehört auch Alexander Brenner. Der Degussa-Gegner, selbst Holocaust-Überlebender und Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, ist zutiefst unzufrieden. «Viele Juden werden nicht kommen können», sagt er bitter. Er selbst wird sich das Mahnmal schon einmal anschauen. «Eines Tages», sagt der frühere Diplomat.