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DEFA-Klassiker DEFA-Klassiker: Sie war die schöne Ines

Von torsten wahl 03.04.2013, 18:48
Heidemarie Wenzel: So viele Blumen wie im Film, gab’s ja nicht mal zum Frauentag.
Heidemarie Wenzel: So viele Blumen wie im Film, gab’s ja nicht mal zum Frauentag. paulus ponizak Lizenz

berlin/MZ - Legendär sind in dem Kinoklassiker „Die Legende von Paul und Paula“ nicht nur die Hauptdarsteller Angelica Domröse und Winfried Glatzeder. Auch Heidemarie Wenzel hat bis heute noch jeden Satz ihrer Rolle parat. Sie spielte damals die schöne Ines, jene blonde Rummelplatz-Schönheit, die Paul zunächst so anzog, dass er sie mit „Faust“-Zitaten bezirzte und heiratete.

Heidemarie Wenzel verbindet nicht nur mit dem Film, sondern auch mit dem Berliner Kino „Babylon“, das den Film jetzt wieder zeigt, intensive Gefühle. Im Gespräch erinnert sie sich lebhaft, wie sie mit ihrer Mutter dort den Defa-Film „Stärker als die Nacht“ besuchte und von der Kraft des antifaschistischen Dramas so beeindruckt war, dass sie fortan jeden Tag ihr Pionierhalstuch tragen wollte. Später dagegen rieb sie sich immer häufiger an Autoritäten und Ritualen des Realsozialismus.

Der Wunsch, selbst Schauspielerin zu werden, kam auf, als sie merkte, welch große Aufmerksamkeit sie mit einer Rezitation von Schillers Ballade „Die Kraniche des Ibykus“ in der Schule erzielte: „Ich war eine richtige Schiller-Eule.“ Sie studierte an der Schauspielschule in Berlin und fiel bei ihrem ersten Engagement am Volkstheater Rostock Regisseur Egon Günther auf, der ihr im Film „Abschied“ ihre erste große Rolle gab.

Einen großen Publikumserfolg hatte sie mit dem Liebesdrama „Zeit der Störche“, in dem ein schlaksiger junger Mann an ihrer Seite debütierte: Winfried Glatzeder, bald der berühmte Paul. Damit wäre Heidemarie Wenzel eigentlich auch eine Kandidatin für die Rolle der Paula gewesen. Sie traute sich die Rolle zu, weil ihr die Herkunft aus dem Berliner Hinterhaus-Milieu durchaus nahe war.

Doch der Regisseur Heiner Carow hatte die Rolle schon an Angelica Domröse vergeben und überzeugte sie charmant: „Wer soll denn außer dir die Schöne spielen?“ So wurde Heidemarie Wenzel zur schönen Ines: „Eine leicht ordinäre, aber eigentlich ganz normale Kellertype, die mit Pauls Entwicklung nicht mitkommt.“ Sie freut sich, dass sie mal komisch sein durfte, ärgert sich aber bis heute, dass ihre Ines sogar das Wort „Ameise“ falsch betonen musste: „Ich hab mich nicht getraut, dem Regisseur zu widersprechen.“

Wenn sich Heidemarie Wenzel die „Legende“ heute ansieht, denkt sie vor allem daran, dass sie wenige Monate vor den Dreharbeiten ihr erstes Kind bekommen hatte: ihr Sohn David ist als Kind von Ines und Paul im Film verewigt – das ältere Kind spielte Glatzeders Sohn Robert. Bis heute findet Heidemarie Wenzel den Film einfach zauberhaft und poetisch: „Das Grau der DDR brach auf, das war wie ein emotionaler Riss in der Mauer. Allein die Blumen, die Paula verstreute – das war schon fast utopisch. So viele Blumen gab’s ja nicht mal zum Frauentag!“ Dabei blieb die Rolle der „Schönen“ eine Ausnahme in ihrer Karriere. Meist spielte Heidemarie Wenzel selbstbewusste Frauen, die im Beruf erfolgreich waren, wie sich überhaupt das DDR-Schönheitsbild nicht nach westlichen Glamourkriterien richtete. Dass eine Boulevardzeitung Heidemarie Wenzel zur „Brigitte Bardot des Ostens“ machen wollte, findet sie abwegig. Immer wieder spielte sie in politisch nicht eindeutigen Filmen mit. So wurde „Die Taube auf dem Dach“ 1973 verboten und erst nach der Wende aufgeführt. In den 80ern bekamen Heidemarie Wenzel und ihr Mann, der Regisseur Helmut Nitzschke, zunehmend weniger Aufträge. Das Angebot, neben Renate Krößner in „Solo Sunny“ zu spielen, wurde zurückgezogen. Als ihr Mann im Westen geblieben war, stellte Heidemarie Wenzel, wie zuvor schon Glatzeder und Domröse, einen Ausreiseantrag. Raus durfte sie erst, nachdem sie sich 1988 öffentlich mit den Verhafteten Stephan Krawczyk und Freya Klier solidarisiert hatte.

Seither war Heidemarie Wenzel in Fernsehserien wie „Unsere Hagenbecks“ zu sehen und mit Tournee-Theatern unterwegs. Im Januar gab sie nach 13 Jahren ihren Ausstand in der ARD-Krankenhaus-Soap „In aller Freundschaft“. Seither genießt sie die freie Zeit, versenkt sich etwa in Tai Chi. Für die typischen Seniorenrollen oder gar ein Karriereende wirkt sie noch zu jung, aber eine „komische Alte“ würde sie gern spielen. Angebote freilich sind rar. Die Krankenhausrolle machte sie immerhin so populär, dass sie von Leuten erkannt wird, die nicht wussten, dass sie schon vor vierzig Jahren Teil einer Kinolegende wurde.

Im Bett mit Paul: Heidemarie Wenzel und Winfried Glatzeder
Im Bett mit Paul: Heidemarie Wenzel und Winfried Glatzeder
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