Debatte um NS-Vergangenheit Debatte um NS-Vergangenheit: Gericht gibt Günter Grass Recht

Berlin/dpa. - Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) darf Briefe des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass nicht ohne dessen Zustimmung veröffentlichen. Das Berliner Landgericht untersagte am Dienstag der Zeitung die weitere Veröffentlichung von zwei Briefen des Schriftstellers an den damaligen Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller aus den Jahren 1969 und 1970, womit es einen Beschluss in einem Eilverfahren vom Oktober 2006 bestätigte. Die Briefe unterliegen dem Gericht zufolge dem Urheberrecht.
In den beiden Briefen appellierte Grass an den SPD-Politiker,seine NS-Vergangenheit offen zu legen. Im Sommer vergangenen Jahreshatte Grass seine kurzzeitige Zugehörigkeit zur Waffen-SS alsJugendlicher Ende des Krieges erstmals publik gemacht, was für großesAufsehen sorgte. Kritisiert wurde vor allem das «lange Schweigen» desNobelpreisträgers über diesen Punkt in seiner Vergangenheit.
Nach Auffassung des Berliner Landgerichts steht dem Schriftstellerein Unterlassungsanspruch zu, weil die Briefe dem Schutz desUrheberrechts unterlägen. Dieser gelte zwar nicht für Mitteilungenmit alltäglichem Inhalt. Hier handele es sich aber um Briefe, die«Ausdruck einer individuell geprägten Schöpfung» seien, was sich inder sprachlichen und inhaltlichen Gestaltung zeige.
Ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dem Abdruck weiterTeile der Briefe sei auch unter Berücksichtigung der Diskussion umdie Vergangenheit des Verfassers der Briefe nicht ersichtlich,betonte das Gericht. Die Briefe beschäftigten sich überwiegend nichtmit dieser Problematik. Die Persönlichkeits- und Urheberrechte desVerfassers der Briefe seien in diesem Fall gewichtiger als dasInteresse der «FAZ» an der Veröffentlichung. Gegen die Entscheidungist die Berufung beim Berliner Kammergericht möglich.
Karl Schiller (1911-1994) war Mitglied der SA und der NSDAPgewesen. Das Landgericht hatte bereits im Eilverfahren im vergangenenJahr festgestellt, dass auch die aktuelle Diskussion um Grass kein«dringendes Bedürfnis an der wörtlichen Wiedergabe großer Teile desBriefes» rechtfertige. Die «FAZ» hatte das Publizieren der Briefedamit begründet, dass das öffentliche Interesse an einerVeröffentlichung in diesem Fall über den Persönlichkeitsrechten vonGrass stehe. Es gehe um die Glaubwürdigkeit der öffentlichen PersonGünter Grass, der die Debatte durch sein spätes Bekenntnis, Mitgliedder Waffen-SS gewesen zu sein, selbst ausgelöst habe. Grass selbsthatte geltend gemacht, die Briefe seien «persönlich» gewesen.