Dean Martin singt mit Robbie Williams und Joss Stone
Hamburg/dpa. - Einmal mit Dean Martin singen: Für Kevin Spacey, Joss Stone, Robbie Williams oder Charles Aznavour ging dieser Traum in Erfüllung - fast zwölf Jahre nach Dinos Tod.
«Forever Cool» heißt das Experiment, bei dem sich Dean Martin plötzlich in einem neu arrangierten und aufpoliertem Umfeld mit neuen Duett-Partnern wiederfindet. Wenn man sich erst einmal an diese Idee gewöhnt hat, dann kann Dean Martins «neues» Album mit 14 Songs durchaus bereichernd sein. Aber so sehr sich Williams und Co. auch anstrengen mögen, an den «Rat Packer» Martin, der so unheimlich lässig klingt, kommen sie alle nicht heran.
Robbie Williams, der nach eigenem Bekunden im wirklichen Leben gerne wie Dean Martin wäre, war sogar an das Grab seines Vorbildes gepilgert, allerdings zeigt der direkte Vergleich bei «Please Don't Talk About Me When I'm Gone», wo der Unterschied zwischen Original und Kopie liegt. Besser zieht sich da schon Kevin Spacey aus der Affäre, der bei «Ain't That A Kick In The Head» und «King Of The Road» kraftvoll dagegenhält. Und auf wundersame Weise ergänzen sich beider Stimmen sogar hin und wieder aufs Vortrefflichste.
Ziemlich auf Augenhöhe begegnen sich Chanson-Legende Charles Aznavour und Dean Martin bei «Everybody Loves Somebody», während Joss Stone trotz ihrer ausdrucksstarken Stimme ein wenig hastig wirkt. Tiziano Ferro, Martina McBride, Dave Koz oder Paris Bennett ergänzen das glänzende Line-up. Und in den besten Momenten verhelfen die neuen Arrangements mit attackierenden Bläsern («Baby, It's Cold Out There») und dem quirligen Saxofon von Dave Koz («Just In Time») den Klassikern sogar zu zusätzlichem Drive.
Mit geringstem Aufwand das größtmögliche Ergebnis erzielen, das war Dean Martins Maxime. Zwei Tage dauerten in der Regel die Aufnahmen zu seinen Alben, die am dritten Tag abgemischt wurden - und fertig. 50 Millionen Stück verkaufte er so. Wer den «King Of Cool» im Urzustand genießen will, dem seien ganz nebenbei die CD-Boxen von Bear Family Records empfohlen, auf denen Dean Martins Oeuvre akribisch und erschöpfend archiviert und mit umfangreichen Booklets versehen wurde. Der Spaß ist zwar nicht ganz billig, dafür aber lassen die Boxen «Everybody Loves Somebody», «Lay Some Happiness On Me», «Memories Are Made Of This» oder «Return To Me» absolut keinen Wunsch offen. Es gibt nichts besseres.
Mit einem Whiskyglas in der Hand eroberte Dean Martin von einem Barhocker aus die Welt. Sein Leben - eine einzige Party: «Broads, Booze and Bucks» bestimmten es nach einer Formulierung seines langjährigen Partners Jerry Lewis - Weiber, Suff und Dollars.
In Hollywood gehörte er zu den umworbensten Stars, obwohl man die weitaus meisten seiner Filme getrost vergessen kann. In Las Vegas genügte seine Anwesenheit in der Stadt, um die größten Spieler des Landes dorthin zu locken. Viele der Songs, die er mit seiner unvergleichlichen Stimme auf Schallplatten in Millionenauflage verbreitete, sind Evergreens geworden - «That's Amore» etwa oder «Memories Are Made of This».
Der Sohn eines jüdischen Friseurs aus den Kaff Steubenville in Ohio hatte als Tankwart, Boxer und Croupier sein Geld verdient, bevor er in kleinen Nachtclubs zu singen begann. Er ging nach New York und dann in die Spielerstadt Atlantic City, wo er 1946 erstmals mit Jerry Lewis auftrat.
In den nächsten zehn Jahren wurden sie ein bis dahin beispiellos erfolgreiches Duo. Die Amerikaner wollten nach dem Kriegsende nichts von den neuen großen Krisen der Welt hören, vom Kalten Krieg, von den Atombomben, vom Koreakrieg - sie wollten sich vor Lachen auf die Schenkel schlagen, wenn der schöne Martin und der deppenhaft aussehende, intellektuell aber überlegene Lewis platte Witze rissen. «Unfassbar, dass uns neun Millionen Dollar pro Jahr für Witze bezahlt wurden wie, hast Du heute morgen ein Bad genommen' -, nein, warum, fehlt eins?'» sagte Lewis später.
Aber sie waren, als sie nach Hollywood kamen, schon Stars - und nutzten das auf ihre Art, indem sie mit möglichst vielen Schauspielerinnen der ersten Garnitur (ohne Rücksicht auf deren Ehestatus) und mit unendlich vielen Starlets ins Bett gingen. «Es war, als ob zwei Sechsjährige in einem Bonbonladen losgelassen würden», erinnerte sich Lewis später.
Die beiden verkrachten sich schließlich unheilbar, vor allem, weil immer mehr «Freunde» Dean mit Sticheleien aufhetzten, er sei nur Staffage für Jerry. Lewis drehte dann seine eigenen Filme, während Martin in Hollywood und Las Vegas bald dem «Rat Pack» angehörte, dessen andere prominente Mitglieder Frank Sinatra und Sammy Davis Jr. waren - sie wetteiferten darum, wer am meisten Geld machte, den meisten Gin trinken konnte und die «meisten Weiber umlegte».
Dann bekam Martin seine eigene Fernsehshow bei NBC, die rasch den absoluten Spitzenplatz in den Charts erhielt, und ließ sich von NBC mit 15 Millionen Dollar pro Jahr entlohnen. Das ging gut, bis sich die ersten Feministinnen solche Sendungen ansahen und darüber schrieben: Umgeben von weitgehend entblößten Schönheiten lebte der Showmaster von Witzen über weibliche Brüste und männliche Trinkgewohnheiten. Nach sieben Jahren mit phantastischen Zuschauerzahlen und Werbeeinnahmen brach Anfang der 70er Jahre plötzlich alles zusammen. Man darf annehmen, dass das Dean Martin ziemlich egal war, der seine letzten Jahre mit Nichtstun verbrachte. Am 7. Juni 2007 wäre der am 25. Dezember 1995 verstorbene Entertainer 90 Jahre alt geworden.