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DDR-Geschichte DDR-Geschichte: Eine Liebe im Stasi-Knast

Von Nathalie Waehlisch 14.04.2008, 12:47
Devid Striesow als Jan und Claudia Michelsen als Bettina in dem Drama «12 heisst: Ich liebe dich» von Connie Walther. (Foto: MDR/UFA/Steffen Junghans/ddp)
Devid Striesow als Jan und Claudia Michelsen als Bettina in dem Drama «12 heisst: Ich liebe dich» von Connie Walther. (Foto: MDR/UFA/Steffen Junghans/ddp) ddp

Berlin/ddp. - Dabei passiert, was eigentlichunmöglich scheint: Die beiden verlieben sich ineinander. Auf ihrenBlock kritzelt Bettina immer wieder die Codezahlen 11 und 12: «Dubist schön» hat elf Buchstaben, 12 bedeutet: «Ich liebe dich». Dochdann wird sie für drei Jahre im Gefängnis Hoheneck inhaftiert undspäter in den Westen abgeschoben. Als die einstige Dissidentin undihr früherer Vernehmer sich zwölf Jahre später wiedertreffen, sindihre Gefühle sofort wieder da. Die beiden kommen gegen alleWiderstände zusammen und heiraten sogar.

Das teils kammerspielartig inszenierte Drama von RegisseurinConnie Walther («Schattenwelt», «Wie Feuer und Flamme»), «12 heißt:Ich liebe dich» (ARD, Mittwoch, 16. April, 20.15 Uhr), basiert aufder Geschichte der realen Vorbilder Regina und Uwe Karlstedt, diebereits das gleichnamige Buch veröffentlichten. Dank der weitgehendzurückhaltenden, zuweilen sehr langsamen Erzählweise und derDarstellung von Michelsen und Striesow ist daraus kein Rührstückgeworden. Und auch wenn die Geschichte sich auf die beidenProtagonisten und ihre schwer nachvollziehbare Liebesgeschichtekonzentriert und der überzeugte Vernehmer Jan arg nett rüberkommt,werden die Methoden der DDR-Staatssicherheit und die hartenHaftbedingungen insgesamt nicht verdrängt.

Der Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, HubertusKnabe, der das Filmprojekt schon im vergangenen Jahr kritisierthatte, warf der ARD kurz vor der Ausstrahlung mangelnde Sensibilitätim Umgang mit den Opfern der SED-Diktatur vor. Sie vermittle einemMillionenpublikum ein völlig untypisches Bild derStasi-Untersuchungshaft. Die etwa 200 000 politischen Gefangenen inder DDR hätten ihre Haftzeit völlig anders erlebt. »Für sie war dasdie schlimmste Zeit ihres Lebens. An Zuneigung oder gar Liebe zuihrem Vernehmer hat dabei niemand gedacht.»

Der zuständige MDR betonte, die Auffassung, der Film verharmlosedie Tätigkeit der Stasi, teile der Sender nicht. «Im Gegenteil: DerFilm zeigt sehr wohl, wie brutal die Stasi vorgegangen ist, sei esbezüglich der Verhaftung und Einlieferung in die U-Haft sowie dassder Aufenthalt dort zumindest einer psychischen Folter gleich kam»,betonte eine Sprecherin.

Diese Erfahrungen hat die Filmfigur Bettina später quasi zu ihremBeruf gemacht: Sie führt Besucher durch das zu einer Gedenkstätteumgewandelte ehemalige Stasi-Gefängnis. In ihrer alten HeimatstadtDresden lebt sie mit einem Rockmusiker aus dem Westen zusammen. Jan -als Stasi-Vernehmer stets mit akkuratem Scheitel, Pullunder undKrawatte - hat sich derweil eine bürgerliche Existenz aufgebaut: Erist Buchhalter, mit Frau und Kind wohnt er in einem Neubau-Haus,seinem Chef hat er von seiner früheren Tätigkeit berichtet.

Es ist bereits 1997, als Bettina versucht, ihren damaligenVernehmer aufzuspüren. Sie findet Jan. Der streitet am Telefonzunächst ab, der richtige zu sein. Doch sie weiß es besser: «Ich binmir absolut sicher, dass ich jenen Mann gefunden habe, der für achtMonate meine einzige Kontaktperson war», schreibt sie ihm in einemBrief. Der frühere Stasi-Mann lässt sich auf ein Wiedersehen mitFolgen ein. «Wir lieben uns. Ich hab das Gefühl, ich bin nach Hausegekommen», gesteht Bettina ihrem aktuellem Freund, der zunächstentsetzt reagiert.

Erst spät setzt sich auch Jan mit seiner Vergangenheitauseinander. «Wenn Frau Kramer Sie nicht aufgesucht hätte, hätten siedie Vergangenheit Vergangenheit sein lassen?», fragt ihn die Leiterinder Gedenkstätte, die die Beziehung vehement ablehnt. «Ja,wahrscheinlich wär das so», räumt der ehemalige Stasi-Mann ein.

Sie sei selbst in der DDR aufgewachsen und kenne vieleGeschichten, in denen Leute Opfer des Systems geworden seien, sagteMichelsen zum Film. «Aber es gibt eben nicht die EINE absoluteWahrheit, es gibt immer nur die spezifische Situation, dieindividuelle Geschichte», findet die Darstellerin. Bei denFernsehzuschauern dürfte der Film auf jeden Fall für reichlichDiskussionsstoff sorgen. Im Anschluss läuft die Dokumentation «In denFängen der Stasi».