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Das Dschungelcamp-Finale Das Dschungelcamp-Finale: Melanie gewinnt die Gestrüppkrone

Von Martin Weber 02.02.2014, 07:39
Überraschende, aber verdiente Dschungelkönigin am Ende der achten Staffel von „Ich bin ein star, holt mich hier raus“: Melanie Müller.
Überraschende, aber verdiente Dschungelkönigin am Ende der achten Staffel von „Ich bin ein star, holt mich hier raus“: Melanie Müller. RTL/ Staefan Menne Lizenz

Liebe Annika, lieber Philip,

hipp hipp hurra, es ist vollbracht! Larissa ist die Gewinnerin, die Krone aus Gestrüpp, Blumen und irgendwelchem Gemüse unklarer Herkunft steht ihr wirklich gut, und selbstverständlich hat sie verdient gewonnen. Weil sie von Anfang an den medialen Gnadenhof von RTL als ihren – wenn auch zeitlich limitierten – natürlichen Lebensraum ansah. Und in Nullkommanichts begriffen hatte, worum es bei der Show geht. Um Beef und Biest, um Zoff und Zickereien, Wut und Wahnsinn, um ein bisschen Punk und Panik. Der Zuschauer möchte das, was RTL beim Casting des Personals im Sinn hatte, auch geliefert bekommen: Brot und Spiele. Und Larissa lieferte. Zuverlässiger als jeder Pizzabote eine Tonno mit extra Zwiebeln.

HALT! STOPP! BITTE SCHNELL ZURÜCKSPULEN! Und alles auf Textanfang stellen. Es kam dann doch so, wie es die meisten Zuschauer, die die letzten 16 Fernsehnächte mit dem Dschungelcamp verbracht haben, es eben nicht haben kommen sehen. Die neue Dschungelkönigin heißt Melanie Müller, Ex-Bachelor-Kandidatin, Erotik-Online-Versand-Inhaberin, Porno-Sternchen, ostdeutsch by nature. Ich nehme mal an, ihr seid genauso überrascht wie ich, Annika und Philip – Umfrage-Queen war schließlich Larissa.

Abend für Abend sehen sich unsere Autoren Martin Weber, Philip Sagioglou und Annika Leister bis zum 1. Februar das RTL-Dschungelcamp an. In einem Briefwechsel tauschen sie sich über ihre Erlebnisse aus - und schreiben sich ihren Schmerz von der Seele.

Weil Larissa in der Hardcore-Variante des Club Robinson über zwei Wochen lang ihr eigenes Animationsprogramm gestaltet hatte. Weil sie physische Stolpereien genauso zuverlässig bot wie lässig eingesprungene Verbalpirouetten. Sätze wie „Ich hab’ mich auch noch nicht an mich gewöhnt“ und „Wenn ich euch nerve, habt ihr keine Nerven“ gehören ab sofort auf Schilder, die gut sichtbar auf dem philosophischen Regenwaldlehrpfad anzubringen sind. Sollte das nicht passieren, denke ich ernsthaft darüber nach, eine Petition zu starten.

Aufs Angenehmste überrascht

Und dann folgt Melanie Müller auf Joey Heindle, den King of RTL-Königreich in der Version von 2013. Über die Thronfolgerin bin ich überrascht, aber das war ich seit dem 17. Januar (Kinder, wie die Zeit vergeht!) sowieso von Melanie. Und zwar aufs Angenehmste. Auch wenn sie zu oft ihre grotesk aufgepumpten und handwerklich eher suboptimal gestalteten Brüste in die Kameras hielt, hat sie mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie ihre wirklich wichtigen Argumente nicht vor sich her, sondern im Kopf trägt; blondiert sind bei der Frau die Haare, nicht die Gesinnung. Und ungeschminkt sieht sie ohnehin besser aus, als wenn sie die Kirmes-Variante von Marilyn Monroe gibt.       

Melanie war tough bei den nicht ganz so wichtigen Dschungelprüfungen (Ekel-Getier essen, Maden, Schleim, Kakerlaken-Dusche, der ganze Plumpaquatsch halt), und sie war noch viel tougher bei der wie immer wichtigsten Dschungelprüfung von allen: die, die anderen Kandidaten auszuhalten. Sie hatte eine Haltung zu Larissa, sie hatte eine zu Winfried, und sie war so treffsicher wie meinungsfreudig in Bezug auf dendiedas Wendler: „Die olle Pissbirne“.  

Fast genauso gut geliefert wie Melanie und Larissa hat Jochen. Der Drittplatzierte turnte so gekonnt auf der Emsigkeitsleiter wie Fabian Hambüchen am Reck, spielte zwischendurch den Kummerkastenonkel, führte Beratungsgespräche im Akkord und stellte Analysen an, die irgendwo zwischen „Fragen Sie Frau Irene“ und „Zwei bei Kallwass“ einzusortieren sind.

Extrem hoher Entertainment-Faktor

Gibt es noch etwas zu würdigen? Na klaro: derdiedas Wendler. Die Witzfigur hat es in nur wenigen Tagen geschafft, dass ihn ab sofort nicht nur halb Deutschland selbstbesoffen, dumm und doof findet. Sondern die ganze Nation. Ähnliche Sympathiewerte hat sich Wirklichkeitsverdreher Mola erarbeitet, und als medizinisches Wunder muss man es ansehen, dass Tanja Schumann tatsächlich ihre gedankliche Thrombose überlebt hat. Glückwunsch dazu. Und der eine Tag im Hotel mit ihrem Gatten, der war hoffentlich randvoll mit unvergesslichen Erlebnissen. Hätte RTL allerdings erstens statt Tanja ein Stück gefrorenes Holz auf einer Dschungelliege positioniert und hätte man zweitens diesem Stück Holz beim Auftauen zugucken können, wäre das ungleich spannender gewesen.

Was allerdings nichts daran ändert, dass der Entertainment-Faktor auch in der achten Staffel extrem hoch war. Mir jedenfalls hat’s Laune gemacht, in der Show Menschen mit all ihren schönen und hässlichen Seiten zu sehen. Und dabei ist es mir auch völlig wurscht, was von den Protagonisten selbst oder von RTL im Schnitt inszeniert worden ist. Und peinlich oder gar unwürdig ist im Dschungelcamp, einem verabredeten Spiel mit erwachsenen Kandidaten, schon gleich gar nichts. Wer einmal gesehen hat, wie Frank Plasberg und Anne Gesthuysen in der ARD im Kontext der aufgewärmten 70er-Jahre Show „Das ist Spitze!“ (im Original: „Dalli Dalli“) als menschliche Waschanlage fungierten oder Augenzeuge wurde, wie Helene Fischer, neuerdings beim ZDF, im knappen Glitzerkostüm Rock- und Popklassiker ins Musical-Grab singt, weiß, was wirklich unwürdig und peinlich ist. Bei den Öffentlichen-Rechtlichen ist Unterhaltung ein Festival des Altbekannten und Vorhersehbaren, und das kann RTL mit dem Dschungelcamp wirklich nicht vorwerfen.

Höchst lebendig war auch wieder mal die Musik im Telezoo. Die Leute, die für die musikalische Untermalung sorgen, sind anders gefusselt als die, die Vorführfernsehen wie „Bauer sucht Frau“ und „Schwiegertochter gesucht“ mit den immergleichen Liedern bestücken. Als Bilderverstärker müssen die Songs selten bis gar nicht herhalten, der musikalische Erklärbär hat meistens Pause. Wer sich mehr als nur ein bisschen für relevante populäre Unterhaltungsmusik interessiert, ist auf jeden Fall entzückt darüber, was man so alles hören konnte. 

Kakkmaddafakka, Birdy, Chvrches

The National, Ryan Adams, Junip, Musik vom großen Filmkomponisten Ennio Morricone oder aus „Der Pate“ – all das lief, wenn Larissa sich wieder mal als Bewegungs-Legasthenikerin gebärdete, wenn Winfried den Grumpy Old Man gab oder Melanie erklärte, dass die „Fernfahrermuschi“ der Top-Seller in ihrem Online-Erotik-Shop ist. Womit eindeutig bewiesen ist, dass das Dschungelcamp als kluge musikalische Fortbildungsmaßnahme fungieren kann. Und die Diskrepanz zwischen den Bildern rund ums Privatfernsehenlagerfeuer und der Musik aus dem Off – da unappetitliche Ego-Shooter wie derdiedas Wendler und eine Flitzpiepe wie Julian F.M. Stoeckel, dort die Erhabenheit von Morricone oder die spartanische Sprödigkeit von The xx: Doch, das hat was. Und wenn das Prinzip des „Eins zu eins ist jetzt vorbei“ doch mal außer Kraft gesetzt wurde, galt auch: Treffer, versenkt. Radioheads „Creep“ im Zusammenhang mit Mola Adebisi hat mir gut gefallen.    

Sehr schön übrigens, dass Tanjas Bräsigkeit mit dem wunderschönen „Your Ghost“ von Kristin Hersh begleitet wurde; ein bisschen schade hingegen, dass man ihr dann doch keinen Trademark-Song spendiert hat. „I Wanna Be Sedated“ von den Ramones wäre mein Vorschlag gewesen; ich habe schon Schnitzereien in Setzkästen gesehen, in denen mehr Leben war als in Tanja S. Auf die Schnelle noch ein Vorschlag für eine Anschlussverwendung: Tanja bekommt bei QVC eine feste Sendung und preist Baldrian-Pillen an. Oder sie wird Testimonial für Sprengel-Erfrischungsstäbchen. Werbefachleute sind noch uneins darüber, was eher vermittelbar und glaubhaft ist. 

Ein Wunsch für Staffel neun

Und nun ist es also Geschichte, das Dschungelcamp in der Version 2014. Die Nächte sind jetzt wieder ein bisschen mehr zum Schlafen da. Dazu fällt mir ein Satz ein, den mir DJ Koze mal in einem Interview spendierte: „Abschied ist ein schweres Schaf.“ Zum Glück gilt für Freunde der handwerklich perfekt gemachten Unterhaltung: Heute ist nicht alle Tage, das Dschungelcamp kommt wieder – keine Frage. Ich gehe mal schwer davon aus, dass wir dann wieder dabei sind. Liebe Annika, lieber Philip: Es war mir eine helle Freude mit euch. Leiwand war’s, wie Larissa sagen würde, die Dschungelkönigin der Herzen. Und wenn ich mir rund ums Lagerfeuer der neunten Staffel noch etwas wünschen darf: Sylvie Meis. Höchste Eisenbahn, dass mal eine lebendige Barbiepuppe ins Camp einzieht.

Schöne Grüße,

Martin

Pornosternchen Melanie hat das Rennen um die Dschungelkrone gemacht.
Pornosternchen Melanie hat das Rennen um die Dschungelkrone gemacht.
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