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Das Bohlen-Prinzip Das Bohlen-Prinzip: Alles Dieter, oder was?

Von Michaela Krüger 06.10.2003, 13:55
Der Musikproduzent und Musiker Dieter Bohlen (r.) flüstert am Samstagabend (04.10.2003) bei der ZDF-Sendung «Wetten, dass...?» in Karlsruhe seiner Freundin Estefania Küster etwas ins Ohr. (Foto: dpa)
Der Musikproduzent und Musiker Dieter Bohlen (r.) flüstert am Samstagabend (04.10.2003) bei der ZDF-Sendung «Wetten, dass...?» in Karlsruhe seiner Freundin Estefania Küster etwas ins Ohr. (Foto: dpa) dpa

Halle/MZ. - Autobiografien schreiben können alle. Dieter Bohlen. Daniel Küblböck. Naddel. Und bald auch Verona Feldbusch und Nena. Denn das Private ist öffentlich. Die Maxime für Maximalprofit lautet: Mehr Idiotie wagen! Prominente stehen, den Offenbarungs-Neid im Blick, bei Verlagen Schlange, um über Busenwiegen, Ehe- und Penisbrüche zu berichten. Das Sabbel-Imperium breitet sich auf vielen Seiten darüber aus, wann wer mit wem. Vor allem aber geht es darum, wann der Dieter mit der Naddel, wann mit der Verona, ob und wann mit Nena. Womit eine Kernaussage gefunden wäre: Der Dieter ist momentan absoluter Gewinner.

Erfolgreich ist Bohlen schon, seit er Thomas Anders 1984 in einer Dorfdisco entdeckte und die beiden sich später als Modern Talking in die Charts trällerten. Aber momentan ist der 49-Jährige nicht mehr nur erfolgreich. Er ist der deutsche Superstar. Das lässt sich damit erklären, dass er er im Prinzip immer Schlichtheit mit Perfektion gepaart hat. Früher schrieb er Songs, die so klangen: "Brother Louie, Louie, Louie, how you douie, douie, douie". Heute schreibt er Bücher, die so klingen: "Ich weiß nicht, ob ich vor 13 Jahren mit Nena gerattert habe." Wenn es wirklich einfach wäre, auf solche Texte zu kommen, würden es sicher mehr Leute tun. Bohlen ist aber nicht einfach, sondern megahammeroberaffenmäßig clever.

Der studierte Betriebwirtschaftler und Freund exorbitanter BH-Größen schlägt den Ton an, der bei der Mehrheit Kumpel-Gefühle weckt. Stellvertretend für seine Fans tut er das, wovon diese nur träumen können: Er l(i)ebt sich aus und zeigt allen den Stinkefinger. Auf die Frage, was er gar nicht an sich möge, hat Bohlen einmal gesagt: "Gar nichts."

Wirklich wichtig sind für ihn derzeit nur zwei Männer. Kai Diekmann und Gerhard Zeiler. Der eine ist Ehemann seiner Ghostwriterin Katja Kessler und zugleich Chefredakteur der Bild-Zeitung, die in der vergangenen Woche jeden Tag mit Auszügen aus dem Buch des "Poptitans" titelte. Der andere ist RTL-Chef und sagt, Dieter könne man "momentan vor eine weiße Wand stellen und zwei Milliarden schalten ein". Mit RTL hat Bohlen einen Dreijahresvertrag unterschrieben und arbeitet gerade an "Dieter Bohlens ultimativer Superstar-Show." Selten zuvor hat es in Deutschland einen Fall so konsequenter Selbstvermarktung gegeben. Bohlen ist keine Ich-AG, er ist ein Ich-Konzern. Sein erstes Buch "Nichts als die Wahrheit" verkaufte sich rund 800000 Mal, gegen "Hinter den Kulissen" wurden gerade acht Einstweilige Verfügungen erwirkt, was dazu führt, dass Bohlen noch öfter in den Schlagzeilen steht. Daneben läuft "Deutschland sucht den Superstar", Popsternchen wollen mit Hits versorgt sein und große Werbekunden drängen auf Fotos, Werbespots und Klingeltöne.

Außerdem ist ein Trickfilm mit dem Comic-Helden Dieter in Arbeit, der 2004 in die Kinos kommen soll. Bohlen formuliert das so: "Es sind viele Synergien, die sich durch die verschiedenen Aufgaben ergeben. Ein Werbespot von mir könnte derzeit so laufen: Ich trage als Parteivorsitzender der Müller-Milch-Partei feine Anzüge von s.Oliver, da klingelt ein Handy mit meinem Song und der ganze Spot wird mit einer Melodie von mir unterlegt, die die Leute sich runterladen können." Alles Dieter, oder was?

Bohlens Karriere ist die eines ewig Pubertierenden, der perfekt den Massenhang zum Voyeurismus bedient und hinter der sonnengebräunten Fassade dennoch das Hirn eines knallhart kalkulierenden Wirtschaftsexperten verbirgt. "Ich möchte einmal im Vorstand von einer Mediengesellschaft sitzen", hat Bohlen vor wenigen Jahren erklärt, "mit dem Musikverlag größtenteils im Internet operieren, zusätzliche neue Acts aufbauen und an dieser Wertschöpfungskette, wie das heute so schön sexy heißt, vom Merchandising bis zu den Tourneen partizipieren."

Der Diedäää aus Oldenburg ist dem Ziel sehr nah gekommen, seit er in "Deutschland sucht den Superstar" mit schonungslosen Wahrheiten á la "Du bringst wirklich alles mit, was wir hier nicht brauchen" die Herzen und das Vertrauen der Deutschen eroberte. Als RTL seine Zuschauer fragte, ob Bohlen oder Gerhard Schröder das Land besser aus der Krise führen könne, entschieden sich 85Prozent für den Musiker. Der große DB fasziniert inzwischen sogar seine frühere Anti-Klientel. Germanisten der Uni Würzburg untersuchten die besondere Sprache des Autobiografen, die Hamburger Musikhochschule bot ihm eine Gastvorlesung an.

Von seinem Haus in Tötensen aus hat er einen Soundteppich über den halben Globus gelegt. Weltweit verkaufte er 160 Millionen Platten, allein 4,5Millionen in diesem Sommer. Sein Vermögen schätzen Insider auf 120Millionen Euro. Und würde er heute in Rente gehen, würden weiter mehrere hunderttausend Euro jährlich auf sein Konto fließen. Auf die Frage nach seiner Lieblingsfigur in der Geschichte hat Dieter Bohlen einmal geantwortet: "Dagobert Duck." Eine Ente, die gern in die Luft geht. Und dabei Millionen schwer geworden ist.