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Cranach-Altar Cranach-Altar: Zeitzeuge auf Umwegen

Von günter kowa 28.03.2013, 20:04
Der lange verschollene Cranach-Altar hat in der sanierten Kliekener Kirche wieder seinen Platz gefunden und kann besichtigt werden.
Der lange verschollene Cranach-Altar hat in der sanierten Kliekener Kirche wieder seinen Platz gefunden und kann besichtigt werden. thomas klitzsch Lizenz

klieken/MZ - Einer der berühmt gewordenen Kriminalfälle der DDR fand zwar keine Sühne, wohl aber ein glückliches Ende. Seit vergangenem Sonntag sind in der Fachwerkkirche von Klieken im Landkreis Wittenberg die Altartafeln aus der Cranach-Schule wieder mit ihrem hölzernen Schrein vereint, von dem Einbrecher sie in einer Mainacht des Jahres 1980 entwendet hatten. Ein Osterausflug zur Kirche lohnt auch deshalb, weil ihr die Rückkehr der Kunstwerke auch eine längst fällige Sanierung bescherte. Vom Weiß, Gold und Blau des barockisierten Raums heben sich die warmen Töne des Altars wirkungsvoll ab.

Älteste Fachwerkkirche des Landes

Dank der Tafeln darf sich die Gemeinde wieder mit einem großen Namen schmücken. Dabei ist ihr die Ehre, ein Werk des kurfürstlichen Hofmalers Lucas Cranach d. Ä. zu besitzen, eher auf historisch verschlungenen Wegen zuteil geworden. Nach Forschungen des Dresdner Historikers Matthias Prasse verweist das Wappen auf dem Mittelschrein auf den Deutschordensritter Albrecht von Isenborch, der 1504 in der Kommende (Niederlassung) des Ordens in Aken beurkundet ist. Knapp 40 Jahre später macht die Reformation dem Ordenswesen auch in Aken den Garaus, und der letzte Komtur Hans von Lattorf entweiht die Klosterkirche. Die Lattorfs aber sind die Patrone von Klieken, und Prasse hält es für wahrscheinlich, dass er den Altar in die Kirche seines Familiensitzes verbracht hat.

Ist die offenbar umstandslose Umwidmung eines katholischen Altarwerks für den reformierten Ritus schon bemerkenswert, so machen die jüngsten Forschungen des sachsen-anhaltischen Landesamts für Denkmalpflege daraus eine kleine historische Sensation. Denn die Altersbestimmung der Fachwerkhölzer wirft jetzt den gültigen Konsens über den Haufen, das Fachwerk der Kirche stamme von Ende des 17. Jahrhunderts. Tatsächlich kann das Fälldatum des Holzes mit 1544 präzise angegeben werden. Der Besucher bestaunt also nicht nur die älteste Fachwerkkirche im Bundesland, sondern eine der frühesten Kirchen der Reformation weit und breit – nach der Torgauer Schlosskirche von 1543 gar die zweitälteste aus jener Epoche.

Zwar bilden Altar und Kirche ursprünglich keine Einheit, aber ihr Zusammenfinden macht aus Klieken einen Schauplatz der Reformationsgeschichte, einen Zeugen der Epochenwende. Umso aufmerksamer wird man jetzt auf das Ensemble von Altartafeln und Schrein blicken. Einer der ersten, der das von berufener Seite tat, ist der Wiederentdecker der Tafeln selbst, der vormalige Präsident der Bayerischen Schlösserverwaltung Johannes Erichsen. Er war 1994 an der Kronacher Cranach-Ausstellung beteiligt, wobei er sich für das Frühwerk des Meisters interessierte – und der Kliekener Altar gehört dazu. Doch den kannte auch der Experte nur von einem Foto, und war umso verblüffter, als er die Tafeln im Schaufenster eines Bamberger Kunsthändlers ausgestellt sah. Was daraus folgte, ist bekannt.

Keine Datierung des Altars bekannt

Schon für sich allein betrachtet, gibt die Malerei einiges über ihre Entstehung preis: die verschiedenen Hände, die Qualitätsunterschiede in der Handhabung von Gesichtern und Gewändern. Cranach kommt 1510 an den kurfürstlichen Hof in Wittenberg, baut aber umgehend seine vielköpfige Werkstatt auf. Das wird nicht ohne die Zustimmung des Fürsten geschehen sein, kommt es ihm doch entgegen, wie Erichsen meint, denn er konnte auf größere künstlerische Ressourcen zurückgreifen, ohne die Gehaltsliste aufzublähen. Der Kliekener Altar ist nicht datiert, aber es gibt nur einen weiteren, bei dem Cranach ebenfalls mit einer Bildhauerwerkstatt zusammenarbeitet: den Johannes-Altar aus der Stadtkirche von Neustadt an der Orla. Für dieses Werk ist das Bestelldatum von 1511 überliefert.

Auch wenn über die Zusammenarbeit von Cranach und den Bildhauerwerkstätten vieles zu klären bleibt (sie waren offenbar nicht identisch), so fällt Erichsen angesichts des wieder vereinigten Kliekener Ensembles doch der kompositorische Zusammenhang auf: Im geöffneten Zustand zeigen die linke und die rechte Darstellung einen symmetrischen, die Mitte betonenden Aufbau, und auch die Bogenmotive von Baldachin rechts und Torbogen links sind auf die zierlichen Kapitelle und das Schnitzwerk des Schreins bezogen.

Über der Thematik des Altars liegt ein Hauch von Geheimnis. Erzählen die Bilder der Außenseiten die Geschichte von Anna, der Mutter Marias – die Begegnung mit Joachim an der Goldenen Pforte des Jerusalemer Tempels und die Geburt Marias – so bleibt unklar, ob die Frau in der Mutter-Kind-Gruppe des Schreins Maria oder Anna darstellt. Das Motiv spricht in seiner Konvention für ersteres, doch warum ist dann eine Maria als kleine Nebenfigur nochmals gezeigt? Anna wiederum würde eher „selbdritt“ dargestellt: als alte Frau vereint mit Maria und dem Jesuskind.

Den Kliekenern kann es nur recht sein, wenn ihr Altar noch recht lange als etwas ganz Besonderes gilt.