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Corinna Harfouch Corinna Harfouch: Promi-Autorin platzt bei Lesung der Kragen

Von joachim lange 05.10.2012, 19:11

berlin/MZ. - Es ist eine hübsche Pointe des Literaturbetriebes, dass ausgerechnet die französische Erfolgsautorin Yasmina Reza ihre Stücke an deutschsprachigen Bühnen uraufführen lässt. Den mittlerweile verfilmten "Gott des Gemetzels" brachte Jürgen Gosch in Zürich heraus, bei "Drei Mal Leben" war vor zwölf Jahren Luc Bondy in Wien der Regisseur.

Geschliffene Dialoge

Mit "Ihre Version des Spiels" ist das Deutsche Theater dran. Dass sich Reza Corinna Harfouch für die Rolle der Schriftstellerin Nathalie Oppenheim und Stephan Kimmig als Regisseur gewünscht hat, ist gut nachvollziehbar. Ebenso, dass die Theater und das Publikum diese Stücke mögen.

Es gibt eben nicht nur Konstrukte oder selbstreferenzielle Textflächen, sondern erkennbare Menschen in nachvollziehbaren Situationen. Und geschliffene Dialoge, die Spaß machen und einen doppelten Boden haben. Rezas Mischung aus flottem Boulevard und Blick in die Abgründe der Seele lässt daher ein schlechtes Gewissen wegen "zu guter" Unterhaltung gar nicht erst aufkommen.

In ihrem neuen Text balanciert Rezas Heldin als Autorin am Rande einer Selbsterkenntnis, von der offenbar ihre Bücher leben, die sie selbst aber erschreckt. Bei einer Lesung in der Provinz, als deren Publikum wir auf die Bühne der Kammerspiele gebeten werden, stellt die Autorin ihren neuen Roman "Das Land des Überdrusses vor". Er handelt von einem Mordkomplott gegen die Geliebte des Mannes, aber auch davon, wie dessen Heldin mit ihrem gerade erschienen Buch "Ihre Version des Spiels" zurechtkommt. Und mit den Männern, dem Leben und ihrer Arbeit als Autorin. Oder eben auch nicht.

Und weil die penetrante Journalistin Rosanne (Katrin Wichmann) mit investigativem Eifer auf selbstentblößende Antworten hinarbeitet und immer wieder den autobiografischen Lebensspuren in den erfundenen Figuren nachjagt, platzt der befragten Autorin irgendwann der Kragen. Was in den kurzweiligen Eindreiviertel-Stunden der Spielraum für den Regisseur ist, sie in eine Haltung zwischen Verunsicherung, Verweigerung und wackligem Selbstbewusstsein mit authentischem Staunen beim Lesen, Schweigen, Streiten oder auch mal Rausrennen zu treiben.

Corinna Harfouch ist für diesen Balanceakt genau die Richtige, ob nun bei ihrem ausbrechenden Abscheu gegenüber der indiskreten Penetranz und Eitelkeit von Rosanna oder in ihrer unverhohlenen Sympathie zu dem literaturbeflissenen jungen Mann Roland Boulanger, den Alexander Khuon mit virtuoser Aufgeregtheit spielt.

Autobiografisches Potenzial

Als nach der Lesung dann auch noch der aufgeblasene und marketingbewusste Bürgermeister (Sven Lehmann) auftaucht, dreht die Szene in eine Art surreale Backstage-Katerstimmung ab, bei der sie alle Gilbert Bécauds "Nathalie" singen. Schon der Titel "Ihre Version des Spiels" lässt das autobiografische Potenzial durchscheinen.

Dass die Freude über das mehrfache Verpacken und Verschachteln, das Nathalie einmal bekennt, auch die der Autorin Reza ist, liegt auf der Hand. Dass sie, indem sie sagt, hier sind meine Texte und das war's, die Kunst des beredten Schweigens oder eben des Bekennens mit einem Rest Geheimnis übt, auch. Sie macht das virtuos wie immer. In einem Kammerspiel, das diesmal zwar nicht gleich auf das Leben im Allgemeinen zielt, sondern auf sie selbst, die Literatur, also doch auch das Leben?

Immerhin würde man am Ende gerne sowohl die Romane "Das Land des Vergessens" als auch "Ihre Version des Spiels" lesen. Was man in Berlin bekommt, ist vor allem Corinna Harfouch. Was allemal zwei nicht geschriebene Romane ersetzt.

Spielplan- und Karten-Info: www.deutschestheater.de