1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Constanze Behrends: Constanze Behrends: "Ich habe den Dreh raus!"

Constanze Behrends Constanze Behrends: "Ich habe den Dreh raus!"

Von torsten wahl 13.01.2014, 09:21
Constanze Behrends (vorn) und Cynthia Buchheim
Constanze Behrends (vorn) und Cynthia Buchheim prime time theater Lizenz

berlin/MZ - Nie hatte sie während ihrer Schulzeit in Gräfenhainichen daran gedacht, dass sie mit Schauspiel und Theater mal ihr Leben bestreiten würde. Doch nun, mit Anfang Dreißig, sitzt Constanze Behrends in ihrer eigenen Theaterkantine in Berlin, neben einem Theater, dass sie mit ihrem Kollegen und Ex-Mann Oliver Tautorat betreibt und für das sie inzwischen sage und schreibe 111 Stücke geschrieben und inszeniert hat, in denen sie auf der Bühne stand – meist auch noch in mehreren Rollen. Sie probt mittags für die nächste Folge ihrer Theaterreihe „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“ und steht abends noch für die aktuelle Folge auf der Bühne, trotz ihres Schnupfens.

Es begann im Wohnzimmer

Seit dem 10. Januar gönnt sich Constanze Behrends mit ihren Mitstreitern einen Rückblick. Die 89. Folge der Theatersitcom blickt als „Best Of“ auf zehn Jahre zurück. Die sechs Schauspieler schlüpfen in anderthalb Stunden in 34 Rollen. Eingespielte und launig kommentierte Filmaufnahmen dokumentieren die Entwicklung der Reihe, die vor drei Dutzend Neugierigen begann und inzwischen mehr als 300 000 Zuschauer anzog.

Behrends, die nach einem Semester Medizin von Magdeburg nach Berlin gezogen war und an einer Theaterwerkstatt ihr Handwerk gelernt hatte, begann mit ihrem Schauspielkollegen Oliver Tautorat in einer Wohnzimmerbühne ihr Experiment. Das erste Buch schrieb sie Weihnachten 2003 noch bei den Eltern in Möhlau, einem Ortsteil von Gräfenhainichen.

Auch Wowereit amüsierte sich

Anfangs brachte das Duo jede Woche eine neue Ausgabe auf die Bühne. Inzwischen sind die Folgen weit aufwändiger und laufen sechs Wochen lang. Dreimal zog das Theater um, blieb aber immer im sozial schwachen, rauen Wedding. Inzwischen liegt die Spielstätte mit 230 Plätzen am S-Bahnhof Wedding, direkt gegenüber dem Arbeitsamt. „Wir mussten uns immer entscheiden: Entweder größer werden oder aufgeben“, blickt Constanze Behrends zurück.

Das Publikum ist ihnen gefolgt: Die Auslastung liegt über 95 Prozent. Doch schon ein Abend mit 80 Prozent reißt ein Loch in die Kasse, erklärt die Theaterchefin, die Betrieb und Gehälter der über 20 Mitarbeiter mit eigenen Krediten absichern musste. Trotzdem hält sie die Eintrittspreise niedrig. Immerhin: Seit diesem Jahr unterstützt Berlin das Haus finanziell – selbst Klaus Wowereit amüsierte sich im „Prime Time Theater“.

In „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“ treffen schrille Berliner Typen aufeinander, die aber auch von Besuchern von außerhalb gut verstanden werden. Zur Stammbesetzung gehören der lispelnde Postbote Kalle: Oliver Tautorat nimmt im Kostüm jeden Gast am Eingang in Empfang. Schon vor Beginn um 20.15 Uhr ist die Stimmung aufgekratzt.

Constanze Behrends spielt so unterschiedliche Figuren wie die sächselnde Arbeitsamtsleiterin Heidemarie Schinkel, die obercoole Popsängerin Nina, die arrogante TV-Ansagerin Claudia Kron und die korpulente Hausmeisterin Ulla. Nur ihre ranke Figur verrät, wer hinter Maske, Perücke und Jargon steckt.

Auffällig ist, dass selbst die schrägsten Figuren wie der rappende Waldorfschüler „Mushido“ oder der schwäbelnde Chef einer „Männerstillgruppe“ nicht nur karikiert werden: Alle haben ihre guten und ihre schlechten Seiten, alle streiten und vertragen sich wieder. So erfüllt die Figur der Heidemarie Schinkel einerseits mit ihrem breiten Sächsisch und ihrer Stasivergangenheit das Super-Klischee einer Ostdeutschen, ist andererseits aber zupackend und direkt.

Nebenrolle in ARD-Serie

Constanze Behrends, die zur Wendezeit 1989 gerade mal Jungpionier war, hat in diese Rolle Züge ihrer Grundschullehrerin und ihrer Mutter einfließen lassen und betont, wie sehr sie „die Frau Schinkel“ mag.

Für das „Best Of“ wird Behrends zum letzten Mal in „Gutes, Wedding, schlechtes Wedding“ mitspielen. Sie will künftig mehr Zeit ins Schreiben, Inszenieren und in die Produktion der Einspielfilme stecken - aber auch stärker für ihre dreijährige Tochter da sein. Dass es auf der Bühne auch ohne sie geht, hatten ihr jene Monate gezeigt, in denen sie für eine Nebenrolle in der ARD-Serie „Zwischen den Zeilen“ vor der Kamera stand.

Konzept wird nun exportiert

Das Spielen hat ihr beim Schreibenlernen geholfen. Heute betont sie selbstbewusst: „Ich habe den Dreh raus! Die Folgen werden immer besser!“ Mit dem Aufschreiben neuer Folgen beginnt sie aber immer erst, wenn die vorige Ausgabe ihre Premiere hatte. Bis dahin sind die Entwicklungen und Verwicklungen noch im Fluss, bringen die Mitspieler beim Proben viel ein. Daneben arbeitet Behrends hartnäckig daran, ihr Projekt ins Fernsehen zu bringen. Außerdem wird das Konzept ins Ruhrgebiet exportiert: In „Gutes Essen, schlechtes Essen“ werden die schnöseligen Berliner „Prenzlwichser“ zu „Düsseldorfern“.

Ganz von der Bühne verabschieden kann sich Constanze Behrends nicht. In ihrer alljährlichen Film-Adaption, in diesem Jahr ist es der Romantik-Klassiker „Harry und Sally“, wird die Hausherrin selbst die Hauptrolle spielen. Sallys Orgasmus zu spielen lässt sie sich nicht nehmen.

Prime Time Theater, Müllerstraße 163 B, 13353 Berlin-Wedding

Infos und Karten unter: 030 / 49 90 79 58

Das Theater im Internet: www.primetimetheater.de