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Comic-Helden Comic-Helden: Grüne Helden aus dem Gulli

Von JANEK KÖNAU 10.04.2009, 19:25

Halle/MZ. - Dabei kannte sie natürlich noch niemand, die vier grünen Schildkröten mit den komischen Namen, die in den Jahren danach deutschlandweit alle Kinderzimmer erobern sollten.

Wenig später dann war es schon zu spät. Der Mann mit der Reibeisenstimme hatte keine Minute gebraucht, um mit der Titelmelodie der Zeichentrickserie eine wahre Hymne in den Gehörgängen der Kids zu pflanzen.

Unwesentlich länger sollte es dauern, bis die grüne Manie auch bei den Eltern ankam - vor allem in deren Portemonnaie. Gerade noch rechtzeitig war die Wende gekommen, um einer ganzen Generation von Mauerfall-Kindern die Beteiligung an einem medialen Phänomen der Sonderklasse zu gestatten: Aus anfangs vier Spielfiguren wurden zwei, drei Dutzend, dazu kamen ganze Fuhrparks an Zubehör, die Helden in verschiedenen Kostümierungen, seltsame Gegenspieler, neue Waffen, Poster, Bettvorleger, Bettwäsche, T-Shirts, Hosen Socken, Turnschuhe. Zum ersten Mal exerzierte eine weltweite Vermarktungsindustrie bei den Teenage Mutant Ninja Turtles, die in Europa aus Jugendschutzgründen Hero Turtles heißen mussten, vor, wie sich ein Bedarf schaffen und generalstabsmäßig befriedigen lässt.

Es herrscht eine wahre Hysterie um vier Helden, die auf den ersten Blick vier seltsame grüne Monster sind. Und auf den zweiten vier lustige, gutmütige, jugendliche Heroen, die des nächtens "gegen Angst und Schrecken zieh'n - ist doch Ehrensache".

Teenager. Schildkröten. Ninja. Ein ungewöhnliches Erfolgsrezept, doch seit einem Vierteljahrhundert überaus erfolgreich. Turtles wurden in zahllosen Familien zu unsichtbaren Mitbewohner: Omas waren verdutzt, wenn sie sich von ihren Enkeln aufklären lassen mussten, dass ein jeder Tritt auf einen Gullideckel für einen Ninja Turtle fatale Folgen haben könnte. Sei dieser doch eventuell gerade im Begriff, einen seiner typischen Unterschlupfausgänge zu nutzen.

Bis in die Jugendsprache drangen die vier glücklich mutierten Tierkrieger vor: Worte wie "Cowabunga" oder "cremig" sprangen direkt aus der Kunstwelt des Cartoons ins wirkliche Leben. Als die Hysterie um Leonardo, Michelangelo, Raffael und Donatello Anfang der Neunziger in Europa bis hoch ins letzte Etagenbett schwappt, finden sich Kevin Eastman und Peter Laird, die Erfinder des gepanzerten Quartetts, bereits als Millionäre an der Spitze eines wahren "Turtles"-Imperiums aus Action-Spielfiguren, Videospielen und Brotbüchsen. Beide schufen, was im Mai 1984 als Parodie auf die Superhelden-Comics der Zeit, am Küchentisch als Hobbygekritzel begann. Die Kanalisation von New York City. Eine geheimnisvolle Flüssigkeit benetzt die Körper von vier kleinen Schildkröten. Die mutieren, wachsen, nehmen menschliche Züge und entwickeln Intelligenz und Sprache.

Aufgenommen von einer ebenfalls mutierten Ratte namens Splinter, ihrem Meister, werden sie in den Abflüssen zu Ninja-Kämpfern gegen das Böse ausgebildet, das den passenden Namen Shredder trägt. Ihr jugendliches Alter bringt jedoch neben der Vorliebe für Pizza auch die ein oder andere Tücke: Die Liebe, das Erwachsenwerden, aufbrausender Zorn, Weltschmerz und dazu immer der Gedanke, man sei auserwählt für etwas Besonderes. Selbst an Tagen, an denen man gar nichts Besonderes sein will.

Mittlerweile sind Leo, Raph, Don und Mikey - wie sie von ihren mitgealterten Fans genannt werden - jedoch in der Gegenwart angekommen. In den nach wie vor monatlich erscheinenden US-Comicbänden sind die wortwörtlich im Untergrund lebenden Brüder in ihren Dreißigern angekommen. Ihre Schnittstelle zur "Oberwelt", die allseits beliebte Reporterin April O´Neal, ist sogar Mutter geworden. Es geht immer weiter, aber die nachwachsenden Generationen habe neue Idole, ohne Stirnband, Schildkröten-Motorrad und wunderliche Waffen.

Nicht zuletzt angesichts ringsum wiederauflebender klassischer Helden von Superman bis Batman hatten es die Pizza-besessenen Sympathieträger schwer. Um die Jahrtausendwende schickten sich japanische Manga-Comics an, mit Figuren wie "Sailor Moon" oder "Dragonball" eine Wachablösung vorzunehmen. Die Turtles kämpften weiter, zuletzt vor zwei Jahren mit einem komplett computeranimierten "Turtles"-Kinofilm, der erstmals auch wieder die alten Fans aufhorchen ließ.

Pünktlich zur mit dem englischen Wort für den Schildkrötenpanzen spielenden "Shell-ebration", der Party zum 25. Turtles-Geburtstag, wird alten und neuen Fans Danke gesagt: Am 23. April ist beim New Yorker "Tribeca Film Festival" Turtles-Tag. Noch einmal wird der erste und bis heute erfolgreichste der drei trickreichen Realverfilmungen aus den großen Tagen aufgeführt. Noch ist es ein kleines Geheimnis, doch anlässlich des Jubiläums soll das Empire State Building ganz in Grün erstrahlen.