Comedian Olaf Schubert Comedian Olaf Schubert: Botschafter einer viel besseren Welt

Halle (Saale) - Wäre die Welt heute schon, wie sie sich Olaf Schubert wünscht, dann müsste sein Erfinder nicht mehr die kratzigen Rauten tragen, dieses ärmellose Pullover-Ding, das zur Uniform seines alter ego geworden ist. Doch ist sie nicht. Und Olaf Schubert, der seine künstlerische Karriere als Schlagzeugerin der Dresdner Chaos-Comedy-Band Dekadance begann, deshalb nur echt und vertrauenswürdig, wenn er den Argyle-Pullunder mit den blau-grünen Karos zum offen fallenden Haar trägt.
Denn Olaf Schubert, auf dem Kopf letzte Locken und im Nacken eine Tolle wie ein Mahnmal für die klassische Vokuhila-Frisur der 90er Jahre, ist eine unverwechselbare Marke, ein Star mit Wiedererkennungswert, der nur eben gar nicht wirklich existiert. Die Figur, die nicht nur auf der Bühne steht, sondern auch Interviews gibt, ist frei erfunden, ein Kopf-Geschöpf eines Dresdner Musikers, Schlagzeugers und Kabarettisten, der vollkommen hinter seiner Bühnenpersönlichkeit verschwindet. Öffentlich ist allein Schubert der „Bundesolaf“, „größter Gedankengigant der Gegenwart“ und die „weltweit einzige Lichtgestalt aus Dunkel-Deutschland“.
Olaf Schubert: Versteckspiel aus Bescheidenheit und Scheinwerferallergie
Ein Versteckspiel aus Bescheidenheit und Scheinwerferallergie, mit dem es Schubert schafft, sich im bis heute westlich dominierten deutschen Witzebe-trieb zu behaupten.
Als „überbegabt und untergewichtig“, würde er sich selbst beschreiben, sagt er, kritischer Geist auch in eigener Sache. Das Erfolgsrezept ist simpel: „Am besten, man ist akribisch vorbereitet und wirft dann auf der Bühne die ganze Planung über den Haufen“, beschreibt Schubert, der Fragen nach seiner Person, nach Wünschen, Träumen und Enttäuschungen mit ganz kurzen Sätzen beantwortet. Dabei ist die Schubert-Figur nach den Erinnerungen ihres Erfinders kein Ergebnis umfassender Marktforschung und gezielter Produktplatzierung.
Olaf Schubert: „Der strategische Plan sah vor, dass ich Fußballstar werde, dann Rockstar und anschließend ganz normaler Internet-Milliardär“
„Der strategische Plan sah vor, dass ich Fußballstar werde, dann Rockstar und anschließend ganz normaler Internet-Milliardär“, erklärt Schubert, der die Enttäuschung darüber, dass alles ganz anders kam, verarbeitet hat. „Man sieht - selbst solche einfachen Pläne scheitern“, sagt er, „und das ist ja auch ok.“
Unbedingt zu erwarten war der große Erfolg nicht. Anfangs hieß Olaf Schubert noch Gabi, sie war Schlagzeugerin bei einer Band namens Dekadance und trommelte bei Konzerten in Kittelschürze. „Women back in the Kitchen“ hieß ein Dekadance-Hit, eine Platte hörte auf den Namen „Versöhnliche Melodien für den solventen Herrn“ und verband Ausdruckstanz mit mundgeblasenem Jazz.
Olaf Schubert ist keineswegs der tumbe Tor
Heute sagt Schubert, er wisse gar nicht mehr, wann aus der Kunstfigur hinter dem Schlagzeug eine eigenständige Persönlichkeit wurde und wie sich deren Bruder Olaf Schubert abspaltete. „Als das passiert ist, war ich vermutlich grade nicht dabei“, sagt er, „oder die beiden haben mich nicht informiert.“
Auch wenn es so klingen soll, Olaf Schubert ist keineswegs der tumbe Tor, als der er auf der Bühne steht. Vielmehr steckt hinter dem fahrigen Auftreten, den falsch verwendeten Fremdworten und der Unfähigkeit, selbst in Momenten höchster Ernsthaftigkeit einmal, nur ein einziges Mal!, nicht unfreiwillig komisch zu sein, das Kalkül des klassischen Hofnarren. Wer so aussieht, wer so steht, spricht und mit den Händen wedelt, dem muss alles verziehen werden, was er sagt oder meint oder meinen könnte.
Olaf Schubert: „Ich komme aus dem Osten der ehemaligen DDR“
Oft weiß das ohnehin niemand so genau. „Ich komme aus dem Osten der ehemaligen DDR“, stellt der Botschafter einer besseren Welt sich selbst vor - und was klingt wie ein Versprecher, ist in Wirklichkeit eine an der Humorpraxis der DDR geschulte Methode. Wer richtig missverstanden werden will, sorgt am besten dafür, dass er falsch verstanden werden kann. Olaf Schubert, dessen Werkverzeichnis als ersten Markstein ein verschollenes Demotape listet, das „Bestandsaufnahme – Lieder zur Befindlichkeit nach der Wende“ hieß, ist hier unschlagbar: Beim Thema Billigklamotten etwa klagt er über deren Qualität: „Ein bisschen mehr Mühe könnten sich die Kinder in Bangladesch schon geben.“
Fast schon Tradition, dass Olaf Schubert im Spätsommer zum Open-Air-Auftritt in Halle bittet. Wie vor zwei Jahren lädt der sendungsbewusste Sachse in der kommenden Woche auf die altehrwürdige Pferderennbahn, im Gepäck das aktuelle Tourprogramm „Sexy Forever“, das den introvertierten Intellektuellen erstmals als den emotionalen Vulkan zeigt, der der selbsternannte „Rufer in der Wüste“ und „Vergewaltiger des Bösen“ natürlich auch immer schon gewesen ist. Schubert kommt auch, um zu singen, warnt aber, dass die „Moderationen für die Lieder oft so lang sind, dass gar nicht mehr so viel Zeit zum Singen bleibt.“
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Man weiß nicht, was er meint, weil man meist nicht einmal weiß, wo der letzte Satz angefangen hat. Aber irgendwann ist er zu Ende. Schubert steht da, die Mundwinkel im Keller, und er staunt in die Runde, die brüllend lacht. Darin unterschieden sich die Reaktionen in West und Ost leider kaum, klagt er. Viel zu häufig werde die Ernsthaftigkeit seines Anliegens nicht erkannt. „Immer wieder muss ich erleben, dass bei meinen Konzerten gelacht wird“, knurrt Schubert. In solchen Fällen spreche er scharfe Rügen aus, verlange auch mal den Personalausweises und mache sich „Notizen, die ich nachher aus Datenschutzgründen aber wieder lösche.“
Olaf Schubert: Diese Art unterkühlter Witz funktioniert überall
Diese Art unterkühlter Witz funktioniert überall. Wo andere Humorarbeiter auch nach jahrelangen Bemühungen, außerhalb ihres angestammten Mundartgebietes Fuß zu fassen, konstatieren müssen, dass es die Anstrengung nicht lohnt, hat Schubert die Zotengrenze zwischen Ost und Westen wie im Vorbeigehen überwunden.
Längst absolviert der „Mittler zwischen Kunst und Sozialabbau“ die Hälfte seiner Auftritte dort, wo Elsterglanz aus Eisleben, das Riesaer Kasper-Duo Zärtlichkeiten mit Freunden und die Dresdner „Mutter Blamage“ Annamateur nur selten hinkommen. Schubert dagegen ist dank eines Stammplatzes im „Quatsch Comedy Club“ und in der ZDF-Heute-Show in Unna und Neu-Ulm so gefragt wie in Döbeln und Schwedt.
Olaf Schubert: Ein Mann für alle Fälle, ein Komiker für alle Regionen
Ein Mann für alle Fälle, ein Komiker für alle Regionen, wenn auch Schuberts Liebe stets Mitteldeutschland gelten wird. Hier, wo Ostdeutschlands Chefhumorist in den seltenen Stunden seiner schmalen Tagesfreizeit in Filmen wie dem Elsterglanz-Kinohit „Der Schlüssel zur Weibersauna“ oder wie gerade jetzt in der Neuverfilmung des Defa-Klassikers „Alfons Zitterbacke“ mitspielt, gebe es „unbedingt“ eine ganz eigene Art Humor, betont er. „Ich weiß aber leider nicht, wie der funktioniert.“
Es ist auch egal. In „Sexy Forever“, dem aktuellen Tourprogramm, bleibt der Wahldresdner der „Stachel im Fleische der Bourgeoisie“ (Schubert), der mit seinen entschiedenen Antworten auf die brennenden Fragen der Zeit hausieren geht. Doch zugleich präsentiert der so oft verkannte Künstler der Welt sein intellektuelles Gedankengut erstmals in attraktivem, erotischem Gewand. „Eine hochbrisante, leider seltene Mischung“, sagt er, mit er „den Anforderungen der modernen Zeit Rechnung tragen“ wolle. Das fällt Olaf Schubert vergleichsweise leicht, denn „natürlich bin ich mit Attraktivität von Gott gesegnet - ich brauche sie nur noch einzusetzen.“ (mz)