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Claudia Perren Claudia Perren: "Ich möchte einen Diskurs anregen"

14.04.2014, 09:37
Claudia Perren ist die künftige Direktorin der Stiftung Bauhaus.
Claudia Perren ist die künftige Direktorin der Stiftung Bauhaus. dpa Lizenz

halle/sYdney/MZ - Am 1. August wird Claudia Perren ihr neues Amt als Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau antreten. Über ihre Pläne sprach Günter Kowa mit der zurzeit noch in Sydney tätigen Wissenschaftlerin.

Frau Perren, das Bauhaus gehörte zu Ihrem Architekturstudium, und Sie sind als Wissenschaftlerin in Australien den Auswirkungen dieser Schule bis dorthin gefolgt. Was bedeutet Ihnen „Bauhaus“?

Perren: Das Bauhaus interessiert mich vor allem wegen der vielen verschiedenen Ansätze zur Gestaltung des Alltags. Es war ein Ort, an dem eine internationale Szene zusammentraf, um sich einer neuen Zeit zu öffnen. Es war ein Ort für Experimente und Provokationen, neue Formen und Manifeste. Das finde ich faszinierend.

Die neue Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, Claudia Perren, wurde am 10. Januar 1973 geboren, sie stammt aus Berlin (Ost) und ist Kuratorin, Architektin und Kritikerin. Seit acht Jahren lehrt sie an der Universität von Sydney. Ihr Interesse in der Forschung richtet sich insbesondere auf die Schnittstelle von Kunst, Design und Architektur. Nach einem Studium der Architektur an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und der Cooper Union New York hat sie von 1997 bis 1998 ein Postgraduiertenstudium in Zürich absolviert und ist 2005 an der Universität Kassel promoviert worden.

Was kann nach Ihrem Verständnis „Bauhaus“ heute sein?

Perren: Als Direktorin des Bauhauses möchte ich einen aktuellen Diskurs zum Bauhaus anregen, unter Einbeziehung aller damals beteiligten Bereiche wie Fotografie, Malerei, Bühne, Architektur, Textil- und auch Ausstellungsgestaltung.

Dazu müssen Schwerpunkte erarbeitet werden, die international relevant sind, die Freiraum lassen für neue innovative Ansätze und Technologien, die aber doch klar im historischen Erbe des Bauhauses verankert sind.

Ihr Amtsantritt geschieht im Schatten der heftigen Debatten um die Nicht-Verlängerung des Vertrags von Philipp Oswalt. Sie haben der „Zeit“ gesagt, dass Sie dazu keinen Kommentar abgeben wollen. Sie werden aber mit den Auswirkungen konfrontiert sein. Der wissenschaftliche Beirat trat geschlossen zurück. Werden Sie einen neuen bilden? Haben Sie Kontakt zu Kandidaten?

Perren: Die Stiftung wird einen neuen wissenschaftlichen Beirat berufen. An Kontakten zu Kandidaten mangelt es nicht.

Die Nicht-Verlängerung von Philipp Oswalts Vertrag sehen viele als einen politischen Eingriff. Wie viel freien Handlungsspielraum sehen Sie für sich als Direktorin?

Perren: Der Spielraum ist in der Satzung der Stiftung klar geregelt. Meine bisherigen Gespräche mit Vertretern des Stiftungsrats waren konstruktiv und angenehm.

Dieser Spielraum wird von Belang bei der Planung des Museums sein. Die Standortfrage ist nun offenbar entschieden, jetzt geht es um Inhalte. Können Sie ein wenig umreißen, welche Erzählung vom Bauhaus sie im Museum präsentieren wollen?

Perren: Dazu werde ich noch nichts enthüllen!

Weiterhin liegt mit dem „Masterplan“ das nach wie vor gültige Dokument zur inhaltlichen Ausrichtung des Bauhauses bis zum Jubiläumsjahr 2019 vor. Es trägt ebenfalls die Handschrift von Philipp Oswalt. Inwieweit fühlen Sie sich dem Masterplan verpflichtet?

Perren: In international agierenden Instituten und Firmen ist ein Wechsel der Direktion alle 3-5 Jahre üblich. Dabei ist selbstverständlich, dass der Nachfolger seine Arbeit auf die des Vorgängers aufbaut. Gleichzeitig werden durch einen Wechsel neue Impulse gegeben und Ziele gesetzt. Das macht auch klar, dass es um die Sache gehen muss und nicht um Personen.

Sie haben im „Zeit“-Interview gesagt, das Bauhaus werde ausschließlich als historische Institution wahrgenommen. Sie wollen es stattdessen zu einer „neuen Art von Bauhaus-Schule“ machen. Der Masterplan dagegen spricht davon, das historische Erbe habe bisher zu wenig eine Rolle gespielt. Zugleich hat es am Bauhaus seit der Wende viele Versuche gegeben, Lehre und Forschung einzuführen, zuletzt mit dem „Bauhaus Kolleg“, doch für eine Lehreinrichtung mit Personal fehlen die Voraussetzungen. Wie wollen Sie das ändern?

Perren: Der Zweiklang von „Archiv der Moderne“ und „Labor der Zukunft“ wie im Masterplan festgehalten, lässt sich nur verwirklichen, wenn viele kreative Köpfe nach Dessau kommen. Mein Ziel ist eine engere Verknüpfung zwischen der Akademie, den Werkstätten und der Sammlung. Forschungs- und Werkaufenthalte international anerkannter aber auch sehr junger Gestalter und Wissenschaftler werden dabei eine große Rolle spielen.

Sie werden neue Ideen mitbringen, diese dann diskutieren, reflektieren und ausstellen. Sie werden an ihren eigenen Projekten arbeiten, aber auch in die Lehre eingebunden werden. Dabei werden sie unterschiedliche Zielgruppen ansprechen und verschiedene kuratorische Formate bedienen und erfinden. Und das wird dann auch ganz unterschiedliche Besucher anziehen. Wichtig ist mir, dass wir uns mit dem Bauhaus Dessau auf einer internationalen Plattform bewegen. Das heißt zum Beispiel, dass wir in der Akademie nur Bildungsmodule anbieten, die international anerkannt sind. Den neuen Masterstudiengang „Design Research“ halte ich für einen Schritt in die richtige Richtung.

Nach Ihrem Eindruck warten angesehene Architekten und Künstler nur darauf, am Bauhaus jeweils einige Monate lang tätig zu sein, an Konferenzen und Workshops teilzunehmen. Wie viele sind das denn wirklich, von denen Sie das genau wissen – wer würde dafür die nötige Zeit aufbringen?

Perren: Im sich immer weiter verbreitenden englischen Bildungssystem haben Lehrende und Forscher an Universitäten alle paar Jahre ein sogenanntes „sabbatical“. Das ist eine Auszeit vom Universitätsalltag, die nicht dazu dient auf die Insel zu fliegen, sondern sich neuen Themen in der Lehre und Forschung zu widmen. Oft werden dazu Aufenthalte in anderen international angesehenen Institutionen genutzt. Das ist eine große Chance für das Bauhaus.

Und gibt es für derlei Workshops nicht längst eingeführte Orte? Sie selbst haben mehrmals mit ihren Studenten zum Beispiel am Berliner „Aedes Campus“ mitgewirkt. Wird das Bauhaus jemals mehr sein können als ein Exkursionsziel?

Perren: Die Konkurrenz ist natürlich heute groß. Es gibt unzählige Festivals, Universitäten, Ausstellungsorte und Biennales. Alle wollen sich profilieren und im kulturellen Weltgeschehen mitspielen. Der große Vorteil des Bauhauses ist, dass es ein starkes Profil hat, dazu mit einem Erbe, das vielfältig und noch nicht abgeschlossen ist. Da kann man durchaus mit Instituten wie dem Aedes Campus zusammen arbeiten, weil deren Fokus ja nicht das Bauhaus ist, unser aber schon!

Nach-Wende-Direktoren vor Ihnen haben gerne Themen gesetzt, etwa „Industrielles Gartenreich“, „Schrumpfende Städte“, „Labor der Moderne“. Sie haben an der Universität Sydney doch sehr ausbildungsspezifische und theorielastige Schwerpunkte gesetzt, zum Beispiel „Raumwahrnehmung“. Haben Sie für das Bauhaus ein Thema?

Perren: Ich habe mehrere Themen, die ich, sobald ich die Direktion antrete, mit dem Stiftungsrat, dem Beirat und den Mitarbeitern der Stiftung abstimmen werden. Die Weiterentwicklung der Stiftung Bauhaus Dessau werde ich ja nicht im Alleingang entscheiden, sondern in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten erarbeiten.

Mitte Mai wird das Meisterhaus-Ensemble wieder eröffnet. Künftig wird die Stiftung dort Regie führen. Welche Vorstellungen haben Sie für die Nutzung der Meisterhäuser?

Perren: Ich finde die Entscheidung, die Meisterhäuser als zeitgenössische Interpretation und nicht im Original wieder aufzubauen, richtig und mutig. Zusammen mit dem Werk von Olaf Nicolai könnten sie der Anfang einer neuen Bauhaus Sammlung sein.

Den Gedanken weiter getragen, könnten dort im Laufe der Zeit Arbeiten entstehen, die sich spezifisch mit den Meisterhäusern und ihren Bewohnern auseinandersetzen. Dazu wäre es sinnvoll, wenn in den Meisterhäusern auch gewohnt werden kann.

Kommen Sie zur Eröffnung?

Perren: Nein, es wird mir wegen meiner Verpflichtungen hier an der Universität in Sydney leider nicht möglich sein dabei zu sein. Aber ich trete ja mein Amt auch erst am 1. August an. Bis dahin ist die Interimsleitung verantwortlich, Vertreter des Stiftungsrats werden außerdem anwesend sein. Das Eröffnungsprogramm sieht sehr interessant aus und ich wünsche allen viel Erfolg.

Danke für das Gespräch!