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Chemie-Museum Merseburg Chemie-Museum Merseburg: Wenn der Reaktor nun ein Loch hat?

Von Michael Deutsch 23.09.2003, 12:42

Merseburg/MZ. - Wenn der Reaktor aber nun ein Loch hat... Ja, dann steht man vor einer ausgeklügelten Erfindung des Nobelpreisträgers Carl Bosch (1874-1940), die im Deutschen Chemiemuseum in Merseburg zu bestaunen ist. Eine der erstgebauten und mittlerweile die einzige im Original erhaltene Anlage zur Herstellung von Ammoniak nach dem so genannten Haber-Bosch-Verfahren (nur echt mit den typischen Löchern im Synthese-Reaktor) wurde vom 1993 gegründeten Förderverein "Sachzeugen der Chemischen Industrie (SCI)" vor ihrer Verschrottung in den ehemaligen Leuna-Werken gerettet.

Der Verein präsentiert in seinem Industriepark, westlich der Technischen Hochschule Merseburg, all jene Anlagen, die maßgeblich die Entwicklung und Produktion im Chemiedreieck Leuna, Bitterfeld und Buna bestimmt haben.

"Glanzstücke unserer Schau sind die Ammoniak-Synthesekammer mit Reaktor sowie die originale Umlaufpumpe, die mit Dampfkraft angetrieben wurde", schwärmt SCI-Mitglied Klaus-Peter Wendlandt. Diese Technologie stamme noch aus den 20er Jahren, einer Zeit, in der ein Druck bis zu sieben Bar technisch machbar erschien.

"Doch dieser Reaktor (1916 in Merseburg errichtet) musste wesentlich mehr aushalten", erläutert der Chemiker. "Als 1908 der Entdecker der Ammoniak-Synthese, Fritz Haber (1868-1934), vor führenden Wissenschaftlern bei der BASF seine Druckvorstellungen um die 200 Bar äußerte, herrschte große Bestürzung", sagt der 61-Jährige. Nur Carl Bosch sei optimistisch gewesen, eine Lösung zu finden.

Doch wie kann man sich 200 Bar vorstellen? Wendlandt schmunzelt: "Das kann niemand genau, nur vergleichen lässt sich das." Dazu führt er den Magdeburger-Halbkugel-Versuch Otto von Guerickes (1602-1686) an. Bekanntlich habe der Physiker 1656 durch Abpumpen ein Vakuum innerhalb zweier Halbkugeln erzeugt, so das allein der äußere Luftdruck von "bloß" einem Bar die Halbschalen zusammenhielt. Acht Pferde vor jede der Halbkugeln gespannt, vermochten nicht, sie zu trennen.

Wie ließ sich das erklären? "Unter den vorherrschenden Bedingungen reagierte der zur Ammoniak-Synthese notwenige Wasserstoff mit dem Kohlenstoff, der im Stahl enthalten ist, zu Methan", sagt Wendlandt. Der Kohlenstoff ist aber maßgeblich für die Härte des Stahls verantwortlich. "Durch die Entkohlung verweichlichte dieser und riss", löst Wendlandt schließlich das Rätsel. Carl Bosch arbeitete mit Hochdruck am Hochdruckproblem und hatte die Lösung.

Ins Innere des Reaktors setzte er zunächst ein Futterrohr aus weichem und Kohlenstoff armen Eisen ein. Der Wasserstoff diffundierte nun reaktionslos durch das Weicheisen und entwich über eingebrachte Löcher im Stahl-Mantel ins Freie. Nicht als Bohr-, sondern als "Bosch"-Loch ist seine Erfindung in die technische Geschichte der Chemie eingegangen.

"Chemie-Museum Merseburg", Sept. 14-17 Uhr, Okt. 14-17 Uhr, Nov.-März nach Anmeldung.