Burg Giebichenstein Burg-Jahrgang 2017: Jahresausstellung der Burg Giebichenstein

Halle (Saale) - Preise können immer noch mehr sein als ein Vehikel des Kunstbetriebs. Mit dem Kunstpreis der Saalesparkasse in den Händen konnte Caro Sell, die laut Jury beste Diplomandin des Burg-Jahrgangs 2017, nicht nur die Jahresausstellung der Kunst- und Designhochschule eröffnen, sondern auch ihre Selbstzweifel überwinden.
Die hätten sie noch vor Kurzem geplagt, sagte sie auf ihrer ersten kleinen Presseführung, doch jetzt sei sie sich sicher mit dem Entschluss zur Künstlerlaufbahn.
Man sah der überwältigten jungen Absolventin an, dass das ein existenzieller Entschluss für sie ist, und vielleicht wiederholt er sich ja gerade bei etlichen ihres Jahrgangs an der Burg.
Caro Sell: Arbeit über Manipulation in und durch die Medien
Ihre Arbeit widmet sich der Manipulation in und durch die Medien, indem sie aus einem TV-Beitrag über ein skurriles Fotoshooting mit dem Möchtegern-Model Anna Ermakova mit viel Ironie den tief sitzenden Rassismus angeht, der westliche Sichtweisen auf Afrika prägt: Die rotblonde Boris-Becker-Tochter posiert wie eine Kolonialherrscherin vor Bewohnern eines Massai-Dorfs.
Diese medienkritische Arbeit war eines der Glanzlichter aus den „Zeitbasierten Künsten“, Jargon für Medienkunst, wo zum Beispiel Lukas Pfalzer und Manuel Rees das Hinschauen geradezu erzwangen, wenn sich auf zwei Bildschirmen der Werdegang eines großen Neubaus wie ein unaufhörliches Fließen, Rollen, Kreisen und Drehen entfaltete.
Tim Thiel verstand es in einem Fünf-Minuten-Videoverschnitt, den Zukunftspathos von Halle-Neustadt zu einem Raketenstart ins Universum zu verdichten - das Universum des Sozialismus in José Renaus heute unbeachtetem Wandbild nahe am Riebeckplatz.
Burg-Jahrgang 2017 in Halle über verlängerten Zeitraum
Die Burg zeigt ihre Diplome der Kunst in diesem Jahr über einen verlängerten Zeitraum. Man begegnet in der Kunststiftung zum Beispiel Dorothea Heisigs mit einer Anerkennung gleichfalls ausgezeichneter „Schmuck“-Arbeit, die statt goldener Eheringe die Silikonkopien von tatsächlich getragenen, dann vielleicht abgelegten oder veränderten zeigt - samt ihren damit verknüpften gelegentlich tragikomischen Lebensgeschichten.
Wenn das Leben das Material ist, mit dem man arbeitet, dann kann es durchaus das eigene sein, mit dem man zu einer künstlerischen Form findet.
Zuckende Körper bei Leon Fiand in der Bildhauer-Werkstatt
So sorgte Leon Fiand, letztes Jahr noch beim Grundstudium mit Gipsgüssen eigener Körperpartien dabei, für einen spektakulären Hingucker in der Bildhauer-Werkstatt von Bruno Raetsch, wo sein Körper als Latex-Abguss mittels Plattenspieler-Motor zuckend „atmete“, der Kopf indes auf einer Stele rotierte.
Man kann mit seiner Existenz aber auch spielen: So Timm Höhler, Sprayer mit stolz zum aufgesprühten Namenszug präsentierten Verwarnungen und einem Portfolio als angehender Kunstpädagoge. Er hat soziale Engagements unter Straßen- und Roma-Kindern, denen er freilich wiederum das Sprayen beibringt.
Una Moehrke: Soziale Bezüge durch die Kunst knüpfen
Einer Auseinandersetzung mit seinem eigenen Tun scheint er sich nicht zu stellen, obwohl in der Kunstpädagogik bei Stella Geppert und Una Moehrke wahrlich der Raum dazu wäre.
Moehrke gehört zur abtretenden Generation der Nach-Wende-Neuzugänge an der Burg-Dozentenschaft, und ihr letztes, laufendes Projekt begann mit einer gemeinsamen Reise ihrer selbst und zwölf Studenten, ohne Geld, aber mit „Gaben“, mit denen sie unterwegs in Südfrankreich „soziale Bezüge durch die Kunst“ knüpften. „Wir machen mal alles anders“, war die Ansage Moehrkes, daraus wurde ein „Austauschverfahren“, aus dem eigene künstlerische Arbeiten weiterhin entstehen.
Burg Giebichenstein: Und was ist mit dem Design?
Man konnte aber auch das Wirken der Neuzugänge beobachten: Im Kunst-Grundstudium wurde erstmals gemeinsam ausgestellt, und das mit gestalterischem Aplomb.
Eine Etage tiefer kann Andrea Zaumseil in ihrer Metallklasse feststellen, dass mit Koreanerinnen und aus Syrien geflohenen Kunstabsolventen neue Impulse in die Werkstatt einziehen.
Viel dankbares Publikum fand wie immer auch in die Ateliers des Designs. Deshalb Entschuldigung, wenn dafür nur wenig Platz bleibt - doch ein Burg-Design, das sich „post-faktischer Gestaltung“ widmet und aus Pömpeln Bauhaus-Lampen macht, hat sichtlich genug Distanz zu sich selbst, um ernsthaft an der Verbesserung der Welt mitzuwirken.
›› Die Kunst-Diplome sind im Volkspark und an vier weiteren Standorten an den Wochenenden 21.-23. und 28.-30. Juli von 14-19 Uhr zu sehen.
(mz)
