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Bunter und älter: Wave-Gotik-Treffen im Wandel

31.05.2009, 09:33

Leipzig/dpa. - Leipzig ­ Lange Lederkluften, weite Reifröcke und viel düstere Musik: Leipzig ist seit Freitag wieder Treffpunkt der neo- romantischen Schwarzen Szene.

Schon zur Eröffnung des 18. Wave-Gotik- Treffens (WGT) am Freitag waren Hunderte Fans in der Stadt unterwegs. 20 000 erwarten die Veranstalter des weltweit größten WGT bis zum Pfingstmontag. Die meisten von ihnen zieht es direkt gen Süden: Im Minutentakt fahren Straßenbahnen voller Gothic-Fans zum Agra- Messegelände. Bis zum Pfingstmontag wird dort ein Großteil der 192 Szene-Bands zu sehen sein.

Auf der «Flaniermeile» vor der Agra-Halle dominiert nicht mehr allein Schwarz: Pinker Plüsch, neongrüne Kunstwimpern und knallrote Pumps deuten neue Szenetrends an. Zu den klassischen Gothics gesellen sich Horror-Punks und Cyber-Goths. Kathi Mann aus Coburg ist ein Cyber-Gothic: Sie trägt neongrüne Netzstrümpfe und Kunsthaar. «Bei uns im Dorf gucken die Leute komisch, aber hier sind wir unter uns», sagt sie. Ihr Freund Daniel Zinn hat sich im Baumarkt «goggles», die für Cyber-Goths typischen Schweißerbrillen, besorgt. Mit anderen Gruppen gebe es keine Probleme: «Kleidung und Musik sind total unterschiedlich, aber wir haben ja alle das gleiche Interesse.»

Für ihr erstes WGT sind Debra Jones und Alison Ancrobus extra aus Liverpool eingeflogen. Die beiden sind schon seit den 80ern in der Szene aktiv. «Das Festival ist fantastisch, es ist ein sehr positiver Vibe.» Zwar trägt die 42-jährige Debra ihr Gothic-Outfit auch im Alltag, aber erst auf einem Festival unter Gleichgesinnten fühlt sich die gelernte Krankenschwester anerkannt. Laut WGT-Sprecher Cornelius Brach werden die Altersunterschiede zwischen den Besuchern größer: «Es kommen einige sehr junge Leute, andere bringen schon ihre Kinder mit zum Treffen. Wir haben deshalb einen Kindergarten eingerichtet, wo die Kleinen ein paar Stunden kostenlos betreut werden.»

In der Zeit können die Eltern ein breites Kulturangebot nutzen. Es gibt Lesungen, Theater und Klassik-Musik. Auch das Bildermuseum und die Leipziger Oper machen mit: «Wir zeigen Richard Wagners "Der Fliegende Holländer" ­ die Schauerromantik passt perfekt zum Festival», sagt Opern-Sprecherin Sonja Riedel. Der durchschnittliche Opern-Besucher würde sich nicht an den etwa 400 Schwarzgewandeten auf dem Rang stören: «Die Leipziger haben schon lange kein Problem mehr damit.»

Weil Tausende Besucher in die Stadt kommen, ist das Treffen der Schwarzen Szene auch für den Tourismus in der Stadt wichtig. Für viele sei das WGT der «Jahresurlaub», an dem man sich ein Bett im Hotel und gutes Essen gönne, erklärte die Mitarbeiterin eines Leipziger Hotels. In diesem Jahr spüre sie einen Rückgang bei den Buchungen, wenngleich 75 Prozent ihrer derzeitigen Gäste «schwarz» seien. «Wir machen sonst nur Weihnachten und Silvester so viel Umsatz», erzählt Taxifahrer Steffen Ullmann. Es liege an den vielen Veranstaltungen, die über die ganze Stadt verteilt und per Straßenbahn nur schwer zu erreichen sind. Eine Passantin ist begeistert von der Atmosphäre, die die Gothics in die Stadt bringen. «Mich regt nur auf, dass manche Supermärkte die Preise anziehen.»

www.wave-gotik-treffen.de (dpa)