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Buchläden Buchläden: Die Kleinen müssen die Großen nicht fürchten

Von Anna-Lena Roth 18.04.2011, 12:56
Ein Passant steht in Jena vor dem Schaufenster der Buchhandlung «Jenaer Bücherstube». (FOTO: DAPD)
Ein Passant steht in Jena vor dem Schaufenster der Buchhandlung «Jenaer Bücherstube». (FOTO: DAPD) dapd

Jena/dapd. - Kaum hat Gunther Philler die Tür zu seinerJenaer Bücherstube aufgeschlossen und den ersten Fuß auf die altenHolzdielen gesetzt, hält er einen Moment inne. Der 62-Jährigeschließt die Augen und holt tief Luft. «Dieser Geruch», sagt er,«genau so riecht Literatur». Seit 28 Jahren ist Philler Inhaber derwohl kleinsten und ältesten noch bestehenden Buchhandlung in Jena.1929 wurde sie eröffnet, die Einrichtung ist seitdem unverändert.«Hier ist mein Lebensmittelpunkt und Zuhause», sagt Philler.

Zur beigefarbenen Cordhose trägt der Buchhändler eine grüneBaumwolljacke, Haare und Schnauzer sind kurz und grau, auf der Nasesitzt eine Brille mit kreisrunden Gläsern. Philler begrüßt diemeisten Kunden mit Namen und scherzt mit ihnen. Sie bringen ihmschon mal Kekse vorbei oder Marmelade. Man kennt sich. Über 60Prozent seiner Kunden kommen regelmäßig. «Viele von ihnen sind mitmir und dem Laden alt geworden», sagt Philler.

Treue Kundschaft trotz Konkurrenz durch große Filialen

Wenn Gunther Philler aus dem Fenster sieht, blickt er direkt aufdie «Neue Mitte», schräg gegenüber steht die «Goethe-Galerie»: ZweiEinkaufszentren, wie sie in jeder deutschen Großstadt zu findensind. In ihnen befindet sich je eine Filiale des GroßbuchhändlersThalia. «Ich würde da aber nicht von Konkurrenz sprechen», sagtPhiller. Natürlich weiß er, dass der riesige Nachbar das größereSortiment hat. «Mein Laden passt bei denen in ein Regal», sagt er.Doch die Kundschaft überschneide sich kaum. Er verkauft in seinerBücherstube nur Bücher, keine Keksausstecher oder Blumensamen, Seifeoder Kartoffelstampfer wie die Konkurrenz nebenan. «Aber ich bin jaschließlich Buchhändler», betont Philler.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels warnt davor, dieSituation der kleinen Buchhändler in Thüringen zu dramatisieren.«Die Anzahl der Buchhandlungen ist relativ stabil, auch die derkleinen», sagt die Geschäftsführerin des Landesverbands Thüringen,Regine Lemke. Seit 2000, als eine Rekordmarke von 203 Buchhandlungenregistriert wurde, sank deren Zahl zwar kontinuierlich. Die Zeiten,in denen die großen Ketten neue Filialen eröffnet hätten, seienjedoch vorbei, sagt Lemke. 2009 habe es in Thüringen 144Buchhandlungen gegeben, unter den Mitgliedern des Börsenvereinswurden damals zehn Schließungen und zwei Neueröffnungen registriert.2010 hätten fünf Buchhandlungen geschlossen, dafür sechs neueeröffnet.

Buchtipps abseits des Mainstreams

«Man darf nicht generell denken: Die Kleinen sind gut, die Großensind böse», sagt Lemke. Natürlich hätten die Filialen der großenKetten eine hohe Anziehungskraft. Doch nicht immer, wenn eine kleineBuchhandlung schließt, sei die Schuld bei den Großen zu suchen. AuchFaktoren wie die Lage, die Miete, das Sortiment oder die Kundschaftspielten dabei eine Rolle, sagt Lemke. Die Jenaer Bücherstube istihrer Meinung nach ein gutes Beispiel dafür, wie sich auch kleineLäden behaupten können: «Philler bietet gute Buchtipps abseits vomMainstream», sagt Lemke. So etwas binde die Kundschaft.

Um auf die Bedeutung des Lesens hinzuweisen, hat die UNESCO 1995den 23. April zum «Welttag des Buches» erklärt. Seit 1996 wird erauch in Deutschland begangen, zumindest teilweise. Dass in Thüringenbisher nur zwei Buchhandlungen beim Verband Sonderaktionenangemeldet haben - deutschlandweit seien es 3.500 - führt Lemke vorallem auf das ungünstige Datum am Ostersamstag. Außerdem hättensicher einige Buchhändler ein Programm vorbereitet, ohne dies demBörsenverein mitzuteilen.

Für Gunther Philler und seinen Mitarbeiter Felix Böhnisch hat derTag keine besondere Bedeutung. In den vergangenen Jahren hätten siemal Lesungen, mal Vorträge oder ein Bücherquiz organisiert. Kaum einKunde wisse jedoch von der Existenz dieses Welttages. Auch eineUmsatzsteigerung habe Philler rund um den 23. April noch niebemerkt.

Aber nun ist der Umsatz für Philler auch nicht alles. Dasumstrittene Buch von Thilo Sarrazin verkaufte er auf Kundenwunsch,auf einem seiner Tische lag das Buch jedoch nie. Auch die Werkeschreibender Fußballer oder Sänger fehlen in seinem Sortiment.«Sicher würde das den Umsatz steigern», sagt Philler. Er könne dasauch alles bestellen - aber die Bücher auslegen und die Menschendamit zum Kauf zu motivieren, das wolle er nicht. Diesen Luxus gönnter sich - und seinen Kunden.

Der Inhaber der Buchhandlung «Jenaer Bücherstube», Gunther Philler, sitzt in seinem Geschäft in Jena. (FOTO: DAPD)
Der Inhaber der Buchhandlung «Jenaer Bücherstube», Gunther Philler, sitzt in seinem Geschäft in Jena. (FOTO: DAPD)
dapd