1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Punk-Geschichte kompakt: Buch "Damaged Goods": Punk-Geschichte und Soundtrack unserer Jugend

Punk-Geschichte kompakt Buch "Damaged Goods": Punk-Geschichte und Soundtrack unserer Jugend

Von Kai Agthe 07.01.2017, 17:00
Auch die Sex Pistols kommen im Werk vor. Hier ein Foto von einem Festival in 2008.
Auch die Sex Pistols kommen im Werk vor. Hier ein Foto von einem Festival in 2008. imago stock&people

Hier werden Seite um Seite Erinnerungen wach: An die Musik, die man zu einer ganz bestimmten Zeit seines Lebens hörte - und die vorzugsweise die Jugend war. Dass man seine Plattensammlung nicht nur alphabetisch, sondern auch autobiografisch ordnen kann, machte bereits John Cusack in der Filmkomödie „High Fidelity“ (2000) vor.

Die im Buch „Damaged Goods“ vorgestellten Alben sind zwar chronologisch gereiht, aber die 117 Autoren, die – beginnend mit der Schallplatte „Black Monk Time“ (1966) von den Monks – maßgebliche Tonträger aus 50 Jahren Musikgeschichte vorstellen, gehen ebenfalls autobiografisch zu Werke.

Die „150 Einträge in die Punk-Geschichte“, die der Untertitel nennt, sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Begriff „Punk“ hier sehr großzügig ausgelegt wird.

Zwar werden Alben von klassischen Punk-Formationen wie Sex Pistols („Never Mind the Bollocks“, 1977) und Dead Kennedys („Fresh Fruits for Rotting Vegetables“, 1980) vorgestellt, aber mit Velvet Underground und Peter Hammill, Sonic Youth und Napalm Death sind in der Anthologie Combos vertreten, die man zunächst wohl nicht unter „Punk“ rubriziert hätte.

Punk-Geschichte in einem Buch: Politische Helden der Generationen

Alle eint jedoch, dass sie die musikalischen Helden jener Generation waren, die zur Zeit von Wende und deutscher Einheit zwischen 20 und 30 Jahre alt waren.
Jonas Engelmann, der Herausgeber des Bandes, versteht „Punk“ denn zuerst und vor allem als „widerspenstige Idee voller popkultureller Referenzen“.

Und er ergänzt in seinem „Vorband“ genannten Vorwort, in dem er auch die Sticks- &-Stones-LP „The Optimist Club“ (1994) als sein All-Zeit-Favoriten-Album vorstellt: „Am besten gealtert wirken heute nicht zuletzt die Alben der Punkgeschichte, die sich musikalisch am weitesten aus dem Fenster gelehnt, die Idee von Punk am weitesten gedehnt haben.“

Roger Behrens erklärt in seinem Beitrag, warum auch Rio Reisers Ton, Steine, Scherben in die Sammlung gehören: „Sie hatten, längst bevor das Wort Punk überhaupt hierzulande kursierte, die richtigen Fragen gestellt, wovon die eine und erste den Titel des ersten Albums abgab: ,Warum geht es mir so dreckig?‘“ Von dieser ist es nicht weit zum vielfach intonierten „No Future!“-Ruf der Punk-Bewegung.

Punk-Geschichte vereint: Von Joy Division, Big Black und Fugazi

Und da betreten sie wieder die Bühne, jene Recken, die seinerzeit die Boxen der Jugend in Ost und West zum Beben brachten: Siouxsie & The Banshees („The Scream“, 1978) und  Joy Division („Unknown Pleasures“, 1979), Hüsker Dü („Zen Arcade“, 1984) und Big Black („Songs about Fucking“, 1987), Chumbawamba („Anarchy“, 1994) und Fugazi („Argument“, 2001).

Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Allesamt Platten, von denen man sich während der Lektüre der Beiträge sagt, dass man sie wieder mal hören sollte.

Da aber nicht nur klassische Drei-Akkord-Bands erwähnt werden, wäre es nicht abwegig gewesen, auch auf Alben von Chrome, Mudhoney oder Lagwagon einzugehen.

Punk-Geschichte: Buch lässt wenige Wünsche offen

Die Rollins Band hätte mit „End of Silence“ (1992) ebenfalls einen Text verdient. Aber wenigstens erscheint der Name des Hardcore-Berserkers Henry Rollins (55) im Zusammenhang mit Black Flags Album „Damaged“ (1981).

Mit Feeling B, AG Geige und Schleimkeim haben immerhin auch drei DDR-Bands in die Sammlung gefunden, die allesamt vor 1989 Tonträger veröffentlichten - wenngleich nur Feeling B offiziell beim Staatslabel Amiga.

Ein Beitrag über das Debüt „Stationen einer Sucht“ (Amiga, 1989) von Sandow aus Cottbus hätte unbedingt in der Anthologie enthalten sein müssen, über einen Text zu einem Tonträger von Müllstation aus Eisleben hätte man sich gefreut.

Und so darf man nach diesen 150 Einträgen in die Punk-Geschichte ganz sentimental feststellen: „Damaged Goods“ ist nichts Geringeres als der Buch gewordene Soundtrack unserer Jugend! (mz)