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Brigitte Reimann Brigitte Reimann: «Eine unerhört große Begabung»

Von Birgit Voelsch 15.07.2003, 17:48
Das Archivbild vom 18.02.1999 zeigt unter einem gemalten Porträt der Schriftstellerin Brigitte Reimann den Schreibtisch der unbequemen Literatin in ihrem einstigen Wohnhaus in Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern). Hier schrieb sie bis zu ihrem frühen Tode an dem dann unvollendet gebliebenen Roman "Franziska Linkerhand". 1972 im Alter von 39 Jahren starb die Schriftstellerin in Berlin an einem Krebsleiden. Am 21. Juli wäre Brigitte Reimann 70 geworden. (Foto: Stefan Sauer, dpa)
Das Archivbild vom 18.02.1999 zeigt unter einem gemalten Porträt der Schriftstellerin Brigitte Reimann den Schreibtisch der unbequemen Literatin in ihrem einstigen Wohnhaus in Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern). Hier schrieb sie bis zu ihrem frühen Tode an dem dann unvollendet gebliebenen Roman "Franziska Linkerhand". 1972 im Alter von 39 Jahren starb die Schriftstellerin in Berlin an einem Krebsleiden. Am 21. Juli wäre Brigitte Reimann 70 geworden. (Foto: Stefan Sauer, dpa) dpa

Neubrandenburg/dpa. - Brigitte Reimann war nicht viel Zeitbemessen. Eine Krebskrankheit setzte dem Leben der Schriftstellerinmit 39 Jahren ein Ende. Am 21. Juli wäre die Reimann 70 geworden -vielleicht als eine große alte Dame der Frauenliteratur. Gebliebenist von ihr ein interessantes, weil streitbares, jedoch nichtabgeschlossenes Werk. Und Fotos, die eine schöne, später auch vonKrankheit gezeichnete Frau zeigen. «Brigitte war ein Star damals(...) und eine unerhört große Begabung», erinnert sich derSchriftsteller Helmut Sakowski. «Sie ist für mich eine von denganz Großen.»

Zu Reimanns wichtigsten Büchern gehören ihr einziger, 1974 postumveröffentlichter Roman «Franziska Linkerhand», die Erzählungen «DieFrau am Pranger» (1956), «Ankunft im Alltag» (1961) - die einerganzen literarischen Richtung der DDR den Namen gab - und «DieGeschwister» (1963). Zudem schrieb sie mehrere Hörspiele. Ende der90er Jahre fanden ihre Tagebücher «Ich bedauere nichts» und «Allesschmeckt nach Abschied» eine unerwartet große Resonanz. Auch dieBriefwechsel mit ihren Freundinnen und ihrer SchriftstellerkolleginChrista Wolf werden vor allem von Frauen viel gelesen.

In die Schlagzeilen geriet Brigitte Reimann noch einmal 1996, alsgefragt wurde: Wer schrieb «Franziska Linkerhand»? Der Roman über dieBemühungen einer jungen Architektin aus bürgerlichem Milieu, in einersozialistischen Umwelt ihren Platz zu finden, war in der DDR der 70erJahre zu einem Kultbuch avanciert. Angeblich sollen dieStaatssicherheit und der Verlag Neues Leben ideologisch bedenklicheTextstellen des Romanfragments umgeschrieben haben. DerLiteraturwissenschaftler Withold Bonner kam zu dem Schluss, dass vierProzent des Textes gestrichen wurden - jene Stellen, die ungeschminktden Alltag in der DDR wiedergaben oder Tabuthemen wie Selbstmord undStasimitarbeit ansprachen, ebenso Sinnlichkeit und Sex.

Reimann selbst hatte sich als 24-Jährige zur Mitarbeit bei derStasi verpflichtet. Nur durch ihre öffentliche Selbstenttarnung imSchriftstellerverband kam sie 1958 davon frei. 1970 geriet sie selbstins Visier der Staatssicherheit. Als sie am 20. Februar 1973 inBerlin starb, umfasste ihre Akte 659 Seiten.

Brigitte Reimann wurde am 21. Juli 1933 in Burg als Tochter einesBankkaufmannes geboren. 1960 zog sie nach Hoyerswerda, wo sie imEnergie-Kombinat Schwarze Pumpe mitarbeitete, um Romane aus dersozialistischen Produktion zu schreiben. 1968 siedelte sie ausgesundheitlichen Gründen nach Neubrandenburg über.

In ihrem dortigen Wohnhaus, das 1997 bei Bauarbeiten einstürzteund neu errichtet wurde, hat das Neubrandenburger Literaturzentrumseinen Sitz. Es verwaltet den Nachlass der Autorin. Zu ihrem 70.Geburtstag zeigt das Haus eine Sonderausstellung mit musikalisch-literarischem Programm zu «Literatur und anderen schönenKünsten im Leben und Werk» der Reimann. Im September steht eineKonferenz zum Thema «Literatur und Architektur» auf dem Programm,angeregt durch den Architekten-Roman «Franziska Linkerhand».