Bob Dylan und der Literatur-Nobelpreis Bob Dylan und der Literatur-Nobelpreis: Des Sängers Höflichkeit

Halle (Saale) - Dylan ist Dylan. Das hat der amerikanische Songpoet mit der Ablieferung seiner Nobel-Vorlesung einmal mehr klargestellt. Auf den letzten Drücker, kurz vor Toresschluss. Dafür ist der Text aber auch gut geworden, sehr gut. Am Samstag wäre die Frist von sechs Monaten abgelaufen, dann würde das Preisgeld von 820.000 Euro futsch gewesen sein. Aber Geld braucht der 76-Jährige wohl nicht so dringend, darum ging es also eher nicht. Auch nicht um Eitelkeit.
Alles, was den Anschein von Fremdbestimmung erweckt, lehnt Dylan ab und lässt sich ungern auf Konventionen und Bedingungen ein. Wenn doch, erfüllt er sie auf seine Weise. So ist es auch mit dem Nobelpreis für Literatur gewesen, den er, von vielen seiner Anhänger seit langem erwartet, von anderen mit Spott quittiert, im vergangenen Jahr von der Schwedischen Akademie zuerkannt bekam.
Bob Dylan und seine besondere Freude über den Nobelpreis
Dass sich Bob Dylan sehr darüber gefreut hat, ist inzwischen bekannt. Er hat es, nach längerem Schweigen, selbst mitgeteilt. Aber Dylan ist Dylan, wie gesagt. Wird die Umarmung zu heftig, fühlt er sich vereinnahmt und verschwindet um die nächste Ecke. Das war schon in den 1960er Jahren so, als die friedensbewegten Freunde der Folkmusik den Sänger von „Blowin’ In The Wind“ und „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“ als eine Art Jesus-Reinkarnation anzubeten gedachten.
Die Antwort übermittelte Dylan mit der elektrisch verstärkten Gitarre, er haute den guten Menschen den Song „Like A Rolling Stone“ und das Album „Highway 61 Revisited“ um die Ohren - vielleicht sein bestes überhaupt.
Zur Verleihung des Nobelpreise erschien Bob Dylan nicht
Nun also der Nobelpreis. Zur Verleihung erschien der Meister nicht, aus Termingründen. Dafür schickte er seine Freundin Patti Smith, die so aufgeregt war, als hätte sie selbst einen Orden bekommen. Und eine Tischrede hat Dylan auch geliefert. Nur die Vorlesung stand noch aus, nun liegt sie vor - als schriftliches Dokument und auch als Hörstück, von Dylan selbst schön rhythmisch gelesen und mit improvisierter Klaviermusik unterlegt.
Und was hat er zu sagen? Dylan sinniert über seine Verwunderung, was und wie viel seine Songgedichte, und um die geht es ja, mit Literatur zu tun haben. Das klingt ein bisschen nach Tiefstapelei, aber das meint er schon ernst. Und am Ende kommt er auch ganz selbstbewusst darauf, dass Shakespeares Stücke vor allem auf die Bühne gehören und Homer, der Autor der von Dylan hoch geschätzten „Odyssee“, sich auch zum Gesang bekannt habe. Mithin: Der Preis hat den richtigen getroffen, findet Dylan.
Bob Dylan feiert Buddy Holly
Eingangs seiner Vorlesung feiert er einen früh verstorbenen Kollegen, den er wie einen älteren Bruder empfunden habe, obwohl er ihn nur einmal sah: Buddy Holly. Dylan war 18 Jahre alt, Buddy Holly 22. Wenige Tage später ist er mit dem Flugzeug abgestürzt.
Dylan spricht dann über seine Entwicklung als Songschreiber. Und über sein literarisches Hinterland, aus dem seine Poetik kommt. Neben der „Odyssee“ haben ihn besonders der Kapitän Ahab aus „Moby Dick“ von Herman Melville und Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ beeindruckt: „You’re so alone. Then a piece of Shrapnel hits the site of your head and you’re dead“, schreibt Dylan: Du bist ganz allein. Dann trifft ein Granatsplitter deinen Kopf und du bist tot. „Ich wollte niemals mehr ein anderes Kriegsbuch lesen, und ich habe es nie getan.“
Ein Bekenntnis zum Frieden, das ist es des Sängers Höflichkeit. Hier schweigt sie nicht. (mz)
Die vollständige Rede Bob Dylans: www.nobelprize.org