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Blutiger Thriller Blutiger Thriller: In Radebeul wird die «Bartholomäusnacht» getanzt

06.04.2006, 08:04

Radebeul/dpa. - Der Unterschiedzur üblichen Darstellung liegt in der Form: Choreograf Reiner Feistelschuf aus dem Stoff ein abendfüllendes Ballett. An diesem Samstag (8.April) hat es im Radebeuler Stammhaus Uraufführung.

Die Bartholomäusnacht steht für ein Massaker an französischenProtestanten, den Hugenotten. In der Nacht zum 24. August 1572 - demNamenstag des Heiligen Bartholomäus - wurden Tausende Anhänger desReformators Johannes Calvin in Paris ermordet. Andernorts ging dasMeucheln weiter. Daraufhin verließen etwa 200 000 Hugenotten dasLand. Als Auslöser für den Pogrom gilt Katharina von Medici. Siewollte sich so ihrer politischen und religiösen Gegner entledigen.

«Völkermord unter religiösen oder politischen Vorzeichen - in denSchrecken der Bartholomäusnacht spiegelt sich unsere heutige Welt»,sagt Hermann Schreiber in seinem Buch über die Tragödie. Aus derSchilderung der Morde sei erkennbar, dass es schon wenige Stundenspäter gar nicht mehr um den Papst oder Calvin ging. Vielmehr hättensich niedrigste Instinkte freigemacht und ausgelebt. Der «Blutrauschfeierte Triumphe», manch private Rechnung sei beglichen worden.

Die Story zieht magisch an. Berühmte Dichter wie Alexander Dumas,Heinrich Mann und Prosper Mérimée schrieben darüber Romane. Auch aufder Kinoleinwand war die Schlacht zu sehen. Choreograf Feistel hältden Stoff für aktuell und brisant: «Man könnte eigentlich den Titelweglassen.» Er will der Frage nachgehen, warum sich solche Massakerwiederholen, woher die unglaubliche Brutalität stammt. «Wie ist esmöglich, dass Menschen ihre Nachbarn mit dem Beil zerstückeln?, fragtder Choreograf und denkt an Fernsehbilder von Kriegen in aller Welt.

Feistel ließ sich vom Film des französischen Regisseurs PatriceChéreau inspirieren. Der hatte 1994 seinen Streifen nach derRomanvorlage «Königin Margot» von Dumas in die Kinos gebracht. «Dumasreduzierte das Geschehen auf wenige Personen. Damit hatte ich eineArt Fahrkarte, mich dem Stoff zu nähern», erzählt der langjährigeSolotänzer der Semperoper. Das Reduzieren hatte einen praktischenHintergrund: Im Radebeuler Ballett tanzen nur 13 Frauen und Männer.

In den Arbeiten Feistels, der mit jährlich zwei bis dreiUraufführungen zu den Kreativsten seines Faches zählt, spielt Musikeine entscheidende Rolle. Diesmal griff er unter anderen auf ClaudioMonteverdi, Orlando di Lasso und Arvo Pärt zurück. «Ich entwickle dieChoreografie meist aus der Musik heraus. Bei der "Bartholomäusnacht"habe ich sie erst nach der dramatischen Idee ausgewählt», sagt derKünstler, der selbst Grönemeyer-Klänge schon in Tanz umsetzte.

Für die hohe Zahl an Tanz-Uraufführungen führt er einpragmatisches Motiv an: «Damit haben wir unser Überleben als SparteBallett an den Landesbühnen gesichert.» Außerdem ließen sich eigeneKreationen besser auf eine Bühne zuscheiden. «Bei den großen Ballett-Stoffen steht immer die Frage: Geht das bei uns überhaupt?» Jetzthofft der Ballettchef auf viel Resonanz bei jungen Zuschauern undseinen treuen Fans. «Darauf hat unsere Arbeit immer abgezielt. Wirblicken auf das Publikum von morgen.»