Blackmail machen «Tempo Tempo»
Hamburg/dpa. - Erpresser vermeiden gemeinhin großes Aufsehen, agieren stattdessen im Verborgenen. Das trifft auch auf die zumeist hoch gelobten Blackmail zu.
Den längst fälligen - ganz großen - Durchbruch wird den Koblenzern auch ihr sechstes Album «Tempo Tempo» wohl nicht bringen. Auch wenn ihr eigenwilliger Indierock nie effektiver und gewitzter klang als heute.
Es ist möglicherweise die Widerspenstigkeit von Blackmail und ihrer Musik, die ihnen bisher die breite öffentliche Aufmerksamkeit versagt hat, wie sie Rock-Kollegen wie die Beatsteaks nach Jahren des Aufstiegs völlig zu Recht genießen. Während jene sich Stück für Stück zu immer besseren Entertainern wandelten, blieben bei Blackmail immer Elemente der Verweigerung, manchmal ganz offen im (Kraft-)ausdrucksstarken Auftreten von Charakter-Querkopf und Sänger Aydo Abay, ansonsten subtiler in kruden Songstrukturen und lärmigen Gitarrensounds.
Ihr «Starrsinn» hat der Band andererseits auch den Ruf als eine der originellsten und eigenständigsten Indiebands der Republik eingetragen, spätestens der dritte Longplayer «Bliss, Please» gilt der Rock-Szene einvernehmlich als Meisterwerk. «Tempo Tempo» integriert nach dem für Bandverhältnisse beinahe poppig arrangierten Vorgängerwerk «Aerial View» dessen Zugänglichkeit in die alten druckvollen, trockenen Gitarrensounds, die vor allem im Frühwerk der Band enorm präsent war.
Ohnehin ist es nicht die Neuerfindung, sondern die Modifikation und Verfeinerung, die Blackmail spannend hält: Natürlich bleiben Abays beiläufig vorgetragene, verhangene Gesangslinien wie in «False Medication» unfassbar charismatisch, und Kurt Ebelhäusers Gitarrenwände kreischen, drücken und stapeln sich so turmhoch wie eh und je. Es sind Kleinigkeiten, die den Unterschied machen: Der Männerchor im treibenden «(Feel It) Day By Day» oder die zum Orchester aufgeblähten zwei Geigen im dramatischen «The Mentalist».
Am Ende ist «Tempo Tempo» ein ausgefeiltes Routinewerk ohne Ausfälle, sehr sicher in der Umsetzung, und genau deshalb manchmal etwas überraschungsarm. Blackmail hatten stärkere Alben, rauere Alben, auch Alben mit mehr Hits. Erst mit längerem Hören wird klar, dass Blackmail mit ihrem aktuellen Album nichts mehr beweisen, nichts mehr wollen müssen.