1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Bittersüßes Comeback von The Verve

Bittersüßes Comeback von The Verve

Von Silke Katenkamp 22.08.2008, 06:00

Berlin/dpa. - Sie waren das vielversprechende Sprachrohr einer musikalischen Welle, die Mitte der Neunziger halb Europa überrollte und sich Britpop nannte.

The Verve, 1989 von den drei Schulfreunden Richard Ashcroft (Gesang), Peter Salisbury (Schlagzeug) und Simon Jones (Bass) im Norden Englands gegründet, setzten 1997 mit dem gitarrenlastigen Album «Urban Hymns» einen Meilenstein in der Musikgeschichte, der sie zwölf Wochen lang zur größten Rockband Großbritanniens machte. Unvergesslich die vom charismatischen Frontmann Ashcroft verfassten und von epischen Streichern getragenen Balladen wie «Bitter Sweet Symphony» und «The Drugs Don't Work». Sie sorgten bei einer ganzen Generation für schwermütige Gefühle an verregneten Novembertagen.

Und trotzdem, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, nach ausufernden Drogenexzessen und unüberbrückbaren musikalischen Meinungsverschiedenheiten zwischen Ashcroft und dem genialen Gitarristen Nick McCabe, kam 1999 das anscheinend endgültige Aus der Band.

Ganze neun Jahre später, nach mehr oder weniger erfolgreichen Neuorientierungen und Alleingängen der Bandmitglieder, hat sich The Verve im vergangenen Jahr dann plötzlich in alter, vierköpfiger Besetzung wieder zusammengerauft. Nach zwei erfolgreichen Touren durch ihre Heimat sowie Auftritten auf bedeutenden Festivals in Europa, Nordamerika und Japan ist nun ihr viertes Studio-Album erschienen. Nach allen Eskapaden trägt es den aufmunternden Titel «Forth», zu Deutsch «Voran». In der Musikwelt gilt es jedoch schon vor dem Erscheinen als umstritten - mit Spannung wird es wohl nur von eingefleischten Verve-Fans erwartet.

Denn mit musikalischen Comebacks ist es so eine Sache: Am Anfang stehen zunächst die Fragen nach der Relevanz und dem Warum der Reunion. Dies beantwortete die Band zur Wiedervereinigung ganz lapidar mit den Worten: «For the joy of music» - aus Spaß an der Musik. Böse Zungen behaupten zwar, den Jungs ginge es eher darum, die leeren Geldbeutel aufzufüllen - ganz versagen will man den Vieren die Liebe zur alten Band jedoch nicht, hatte Ashcroft doch zu Hochzeiten einmal verlauten lassen, er sei nur in die Welt gesetzt worden, «um ein Teil von The Verve zu sein und die Sache so weit zu treiben, wie ich irgendwie kann».

Ob ihm dies mit dem neuen Album gelingt, ist allerdings fraglich. Ein zweites «Urban Hymns» mit eindringlichen Britpop-Hymnen ist «Forth» definitiv nicht, hat somit auch nichts mit den später entstandenen balladenlastigen Solo-Alben Ashcrofts zu tun. Stattdessen scheint sich die Band ansatzweise auf ihre Wurzeln zu besinnen - und es mit der Wiedervereinigung tatsächlich ernst zu nehmen. Alles klingt nach Teamwork, bei der die sphärische McCabe-Gitarre ebenso zur Geltung kommt wie der nach Erlösung suchende Gesang des Frontmannes.

Mit dem ausgedehnten, hypnotischen «Sit And Wonder» beginnt «Forth» dann auch vielversprechend und erinnert an die psychedelischen Anfänge der ersten zwei Verve-Alben. Auch «Rather Be», unterlegt mit zarten Streichern, oder «Valium Skys» tragen den ermutigenden Glanz von Songs vergangener Tage. An sie heran reichen sie allerdings nicht.

Neue Wege scheint die Band mit der Single-Auskopplung «Love Is Noise» gehen zu wollen, das von Verve-untypischen Dance-Beats und Elektro-Sounds dominiert wird und ein bisschen an Manchester Rave erinnert, eine Musikrichtung, die Großbritannien in den späten 80ern und beginnenden 90er Jahren dominierte.

Alles in allem macht «Forth» es dem Hörer jedoch schwer, eine eindeutige Richtung auszumachen. Das Album erinnert vielmehr an eine Sammlung von Entwürfen, von denen nur die wenigsten die sechs Minuten unterschreiten. «Urban Hymns»-Fans werden sich wohl erst einmal daran gewöhnen müssen. Furchtbare Musik ist es jedoch nicht, was The Verve abliefert, vielmehr ein bittersüßes Comeback, bei dem die Musiker nach einer neuen Identität zu suchen scheinen.

theverve.tv

www.emimusic.de