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Bitterböse Satire über Globalisierung und das Scheitern des Einzelnen

Von Carola Große-Wilde 11.10.2007, 13:55

Hamburg/dpa. - Darf man über die Globalisierung und ihre Auswirkungen lachen? - Man darf. Zumindest im Hamburger Thalia Theater. Dort wurde das Auftragswerk «Die Beissfrequenz der Kettenhunde» uraufgeführt.

Am Ende gab es begeisterten Applaus für die Schauspieler, Regisseur Stephan Kimmig und den Autor Andreas Marber. Sein Rezept ist aufgegangen: «Im besten Fall erwachen die Zuschauer genauso wie die Figuren am Ende wie aus einem leichtem Albtraum und merken, dass sie die ganze Zeit über etwas lachen mussten, was eigentlich grauenerregend war.»

Peter Vischer (Peter Jordan), der in seinem bisherigen Leben wenig erfolgreich war, wird durch einen glücklichen Zufall Geschäftsführer eines mittelständischen Hamburger Unternehmens, das für den Discounter Aldi-Nord Unterwäsche in Großserien in Bangladesch produziert. Er hat die Regeln, die ihm ein Leben lang eingetrichtert wurden («Jeder kann es schaffen, wenn er sich nur genügend anstrengt.») zutiefst verinnerlicht - und trotzdem wird er wieder kläglich scheitern. Er glaubt noch an Verträge und Unabhängigkeit und meint, sich mit einem Einkäufer von Aldi-Nord anlegen zu können.

Das Stück hinterfragt mit den Mitteln der Komödie («Du hast noch das alte Europa-Gesicht») ein gesellschaftliches System, das nur den Profit ins Zentrum stellt und nicht an die Folgen für andere denkt. Auch nicht an die Frauen, Männer und Kinder, die in Bangladesch Textilien für Billiglöhne herstellen und somit zum Wohlstand im Westen beitragen. Gleichzeitig legt der Autor schonungslos die Defizite einer Gesellschaft offen, die an dieses System glaubt und unfähig ist, auf die wahren Bedürfnisse der Menschen einzugehen. Alle Personen in dem Stück sind zutiefst unglücklich, weil sie den Anforderungen von außen nicht gerecht werden können.

Bei Andreas Marber ist es auch das wirtschaftliche System («Der ganze Globus ist zum Erfolg verurteilt»), das die Beziehungen der Menschen zerstört. («Treue und Zusammenhalt, das sind so Gefühle aus ganz alten Zeiten»). Am deutlichsten wird diese Deformation an Hauptfigur Vischer, der bis zum Ende nicht begreift, warum er schon wieder gescheitert ist. Zum Schluss will er einmal etwas richtig machen und inszeniert akribisch seinen Selbstmord.

www.thalia-theater.de