Biografie von Wolfgang Joop Biografie von Wolfgang Joop: Modedesigner spricht er über sein Leben und seine Arbeit

Halle (Saale)/MZ - „Mode ist überall. Doch wir leben in einer postmodernen Zeit, in der es keine Mode mehr gibt.“ Das sitzt! Das Statement von Wolfgang Joop ist in seinem neuesten Buch „Undressed“ nachzulesen, das auch eine Art Lebensbilanz ist. Ein Wort mit Gewicht. Schließlich ist Joop neben Karl Lagerfeld und Jil Sander einer der großen Drei aus Deutschland, die in der internationalen Modewelt wahrgenommen werden. Da haben Michalsky, Kretschmer & Co. noch lange Nähte dran zu sticheln. Nicht zuletzt, weil unterdessen so unbekümmert wie erfolgreich Modeblogger Trends via Netz setzen.
Nicht nur deshalb mag man dem resignativen Mode-Resümee des Wolfgang Joop, als Mann des flinken Bonmots wie des offenen Wortes bekannt, folgen. Ein Rückblick auf die so rührend verzweifelt gehypte Fashion Week Berlin genügt. Da sorgte das Gezeigte allzu oft für Déjà-vu-Erlebnisse zu Muttis oder Omas Outfits von damals. Nur folgerichtig, dass etwa der „Tagesspiegel“ die ausbleibende Starpräsenz beklagte. Und überhaupt: Seit Hugo Boss dem so bemühten Berliner Spektakel den Rücken gekehrt habe, blieben eben auch die anderen großen Namen weg. So viel zur deutschen Modeszene, zu der Wolfgang Joop im Buch „Undressed“ spitzzüngig noch Etliches mehr anzumerken hat.
Da klärt der, nun ja, Kleidermacher („Wir sind keine Designer, sondern Stylisten“) etwa endlich mal auf, warum all die mindergeformten Laufsteg-Stakserinnen eigentlich immer so gucken, wie sie gucken. So desinteressiert, abwesend, freudlos. Joop weiß Rat: Weil nämlich „ein Fashiongesicht“ absolut leer sein müsse. Schon ein Lächeln sei falsch. Mit seiner Mode zelebriere er „gerne dieses Irrationale, Ambivalente“.
„Prussian Designer“
Das interessiere ihn auch am Frauenbild überhaupt – souverän sei das, schmerzerprobt, doppeldeutig, hintergründig, „eine Frau, die mit allen Mitteln versucht, zu überleben und sich durchzuschlagen, mit Weiblichkeit, mit Gefühlen, mit Sexualität“. Womit er eine Spannbreite andeutet, die so etwa von der mondänen Art Deco-Ikone Lolita de Lempicka bis zur Powerlady des 21. Jahrhunderts reicht, absolut jenseits des Haudrauf-Feminismus Schwarzer’scher Prägung.
Genau das ist es wohl, was seinen Erfolg über Jahrzehnte ausmacht. Ohne wiedererkennbare Statements zeigt er Unbehaustheit auch im Stil. „Die Kleider von Joop“, heißt es im Buch, „sind bis heute tatsächlich ein bisschen wie die Frauen, die ihn interessieren: unverbindlich.“ Eine Aussage, die sich an viele richtet und viele anspricht. Ohne Scheu vor Ausflügen ins Populärfach wie etwa Entwürfen für die Warenhauskette Kaufhof, selbst Karl „der Große“ Lagerfeld hat schließlich schon für H & M gearbeitet.
Auch die Tatsache, dass Joop (der nach eigenen Aussagen nicht mal einen Knopf annähen kann) beizeiten, nämlich schon 1978, nach New York ging und dort mit einer ersten Pelzkollektion derartigen Erfolg hatte, dass die New York Times den damals völlig Namenlosen als „Prussian Designer“ bewunderte. Wie von dem New York-Überraschungscoup erzählt Wolfgang Joop über viele andere wesentliche Stationen seines aufregenden Daseins in dieser Biografie mit dem bezeichnenden Untertitel „Aus meinem Leben mit mir“.
Formal ist das kein stringenter Lebensbericht, sondern ein Interview, das die Journalistin Rebecca Casati (verheiratet mit FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher und Nachbarin im Potsdamer Promi-Viertel) mit dem Modemacher geführt hat. Frage-Antwort also. Ein Stilmittel, das vor allzu selbstverliebten Erinnerungsbeichten schützen kann. Vorausgesetzt, der Fragende weiß Distanz zu wahren.
Ruhm, Rivalität, Liebe, Familie und Heimat
Casati gelingt das mit sachlicher Fragestellung und Dezenz. Was bewirkt, dass sich die Joop-Biografie angenehm offen, jedoch niemals peinlich voyeuristisch liest. Joop lässt sich also befragen und gibt einigermaßen unverhüllt Auskunft über sein buntes, unangepasstes Leben. Für den englischen Titel „Undressed“ gäbe es im Deutschen keine Entsprechung, die vermittle, was er meine.
Hier wird kaum etwas ausgelassen. Ruhm, Rivalität, Liebe, Familie, immer wieder: Heimat. Die Ehe mit Karin (erneut verheiratet, doch „wir sprechen fast täglich miteinander“). Die Töchter Florentine und Jette, mit der der Zwist ums Bornstedter Erbe keineswegs beigelegt ist. Seine nun schon seit mehr als drei Jahrzehnten währende Partnerschaft mit Edwin Lemberg. Mit diesen Erinnerungen verrät Joop auch seine Träume, Wünsche und Ängste. Angst, weil der auch immer mal Gescheiterte nur allzu gut weiß, dass das Glück nichts Bleibendes ist. Die Grunderfahrung eines Flüchtlingskindes, das aus einer bürgerlich-behüteten Kindheit vor den realsozialistischen DDR-Zumutungen ins zwar westliche, aber bieder-provinzielle Braunschweig floh. Daraus wiederum Flucht in den Glamour einer Karriere in der Mode.
Leben und arbeiten in Hamburg, New York, Berlin und auch endlich wieder in der Heimat. Joop als Vater, inzwischen vierfacher Großvater, Modedesigner, Schriftsteller und Unternehmer, als Herrscher über ein Designer-Label, das zur Lifestyle-Marke „Joop!“ mutierte mit Lizenzen von Parfüm bis Bettwäsche.
Wolfgang Joop, das erzählt dieses Buch, ist ein - wenn auch hoffnunglos unbehaustes - Wunderkind der robusten deutschen Nachriegsgeneration. Im November wird er 70.
Wolfgang Joop mit Rebecca Casati: „Undressed“, Hamburg, Hoffmann und Campe, 224 Seiten, 19,99 Euro