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Bildung Bildung: Kinder sollen lesen, was ihnen Spaß macht

02.12.2009, 08:35

Mainz/Frankfurt/Main/dpa. - «Peng», «Zosch», «Nimm das, du Schurke!» Comics in den Händen ihrer Kinder sehen viele Eltern etwa so gerne wie Schaumküsse auf dem Mittagstisch. Und Hörspielen oder Hörbüchern gegenüber sind sie oft zumindest skeptisch. Mit Lesen hatdas schließlich nichts zu tun. Doch diese Väter und Mütter denken besser um. Denn geht es darum, den Nachwuchs zu Leseratten zu machen, sind Comics nur scheinbar Schund. Und auch die Wirkung von Hörmedien wird besser nicht unterschätzt.

Der Begriff «Leseförderung» lasse sich enger oder weiter fassen,sagt Margit Müller von der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) in Frankfurt. «Ich persönlich bin mehr für die weitere Fassung und sage: Kinder sollen lesen, was ihnen Spaß macht.» Laut Christoph Schäfer von der Stiftung Lesen in Mainz sind grundsätzlich alle Medien geeignet, um Kinder ans Lesen heranzuführen. Und dazu gehöreneben auch Comics und Hörbücher beziehungsweise Hörspiele.

Das hat im Wesentlichen zwei Gründe. Zum einen sind Eltern, dieSpaß an etwas vermitteln wollen, nicht gut beraten, wenn sie allzu sehr mit Verboten und Zwang arbeiten. Liebt ein Kind Asterix und Co. und seine Comics landen im Altpapier, während stattdessen ein «gutes Buch» auf dem Nachttisch liegt, kann das verheerende Wirkung haben: «Die Folge wäre allzu leicht komplette Leseunlust», so Müller. «Wenn Eltern sagen 'Du musst', werden viele Kinder nur noch bockiger.»

Zum anderen sind viele Comics beileibe nicht jene Vergeudung anPapier und Druckerfarbe, für die sie viele Eltern noch immer halten. Sie erzählen Geschichten in Bildern und Texten. Diese Verknüpfung beanspruche Gehirnareale, «die über jene beim reinen Lesen sogar hinausgehen», sagt Burkhard Ihme vom Interessenverband Comic (ICOM) in Stuttgart, einer Vereinigung von Autoren und Zeichnern.

Daneben gibt es die sogenannten Graphic Novels als Mischform. «Das sind 'vercomicte' Romane», erläutert Schäfer. Gleich zwei Titel - beide vom Autoren und Illustratoren Shaun Tan - waren jüngst für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Während es für «Ein neuesLand» dabei blieb, heimste «Geschichten aus der Vorstadt desUniversums» die Auszeichnung auf der Frankfurter Buchmesse ein.

Geht es um Hörbücher und -spiele, haben kritische Eltern in einemRecht: Die Kinder lesen nicht selbst. Doch nach Schäfers Überzeugungmacht das nichts. Denn sie eignen sich dabei etwas an, das Fachleuteauch hierzulande «literacy» nennen: das Verarbeiten, Kommentieren undWeitergeben von Erzählstrukturen. «Sie lernen, wie Geschichtenaufgebaut sind, sich in fiktive Charaktere hineinzuversetzen undvisuelles Vorstellungsvermögen.»

Auch Müller ist von der positiven Wirkung gutgemachter Hörbücherund -spiele überzeugt. Auf den CDs seien teils komplexe Sachverhaltespannend oder lustig aufbereitet. «Sie schaffen Möglichkeiten fürKinder, mit akustischen Mitteln Fantasieräume zu eröffnen.» Das Kindsitzt vor der Stereoanlage, ist in seiner Fantasie aber mitten in derGeschichte.

Trotzdem können Eltern, deren Kinder Comics lieben oder vonGeschichten zum Zuhören begeistert sind, ihrem Nachwuchs auch Büchergeben. Sie sollten das laut Schäfer sogar tun: «Man kann sich auf dieFaszination des Mediums Comic allein nicht verlassen, wenn man Kinderans Lesen heranführen will.» Auch wenn die Hefte ebenso wie Hörbücherund -spiele das ihre zum Erwerb der Lesekompetenz beitragen: Alleinerichten können sie es nicht.

Haben Vater oder Mutter das richtige Buch ausgewählt, werden siedie vielleicht überraschende Erfahrung machen, dass das Kind esregelrecht verschlingt - nicht etwa, obwohl es vorher Comics gelesenhat, sondern in vielen Fällen gerade deswegen: «Wenn Kinder imComiclesen gut geübt sind, ist es für sie leichter, auch längereTexte zu erfassen», erklärt Christoph Schäfer.

Beißt das Kind nicht gleich an, sollten die Eltern nicht aufgeben:«Man kann es ruhig immer wieder versuchen», ermuntert Margit Müller.Mit Zwang, den es ja zu vermeiden gilt, hat das noch nichts zu tun.Wer sich nicht sicher ist, welches Buch passen könnte, sollte demBuchhändler um die Ecke vertrauen. Oder er schaut in die «Bücherbox»,die in Buchgeschäften ausliegt. Diese Liste von rund 200empfehlenswerten Titeln gibt der avj im jährlichen Rhythmus heraus.

Ist das richtige Buch gefunden, können und sollten Eltern etwastun, das mit Comics schwer möglich ist, wie auch Burkhard Ihme vomICOM einräumt: vorlesen. Denn gerade für Kinder im Grundschulalterist die intime Vorlesesituation mit den Eltern genauso wichtig wiedas Lesen selbst.