Bildende Kunst Bildende Kunst: «Einsamkeit ist das Beste, was man hat»

Dresden/dpa. - Der Mitbegründer der «Brücke», fürdie er 1905 Maler wie Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluffgewann, gilt als einer der wichtigsten Repräsentanten des deutschenExpressionismus. Vor allem in seinen frühen blockhaften Holzschnittenschuf Heckel dessen Menschentypus mit überhoher Stirn und tiefenBlicken.
Blätter wie die berühmten Darstellungen der halbwüchsigen Fränzivon 1910 gehören zu den gesuchtesten und teuersten Objekten beiKunstauktionen. «Nicht minder innovativ waren die frühen Ölgemälde,die mit ihren großen Flächen an die Holzschnitte anschließen undleuchtende Farbigkeit mit teils emotionaler Pinselführung ins Bildbringen», sagt die Kuratorin der Dresdner Galerie Neue Meister,Birgit Dalbajewa. Das in fast rauschhaftem Rot gehaltene Bild desschlafenden Max Pechstein etwa, der später wie Emil Nolde kurze Zeitzur «Brücke» stieß, markiere die hohe Emotionalität und den starkenAusdruckswillen dieser ersten «Wilden» der Kunstgeschichte.
Bis 1914 dominierte auch bei Heckel der gemeinsame «Brücke»-Stil,den er allerdings verhaltener, lyrischer und mit strenger formalerDisziplin ausführte. Er galt als die einfühlsamste Persönlichkeitunter den «Brücke»-Malern, seine Interessen konzentrierten sich schonals Gymnasiast vorwiegend auf Dichtung und Philosophie. Mit seinemintegrierenden Wesen hielt er die unterschiedlichen Charaktere derKünstlergruppe zusammen, wobei er selbst hinter seiner Kunst zuverblassen schien. «Einsamkeit ist das Beste, was man hat», schriebder introvertierte Künstler einmal.
Nach dem revolutionären Schaffen der «Brücke» veränderte sich seinStil wesentlich. Die Kompositionen wurden strenger, die leuchtendenFarben wichen einer gedämpften kühleren Farbigkeit. NeueMöglichkeiten, die veränderte Gefühlswelt adäquat umzusetzen,eröffneten sich in Auseinandersetzung mit den damals aktuellenKunstformen wie Kubismus oder Futurismus. Dabei war Heckels Schaffenvon drei Motiven bestimmt: Badende, Akt im Interieur und Landschaft.«Dazu kamen später die Großstadt, der Film, Schauspieler undliterarische Themen sowie Stillleben», sagt Dalbajewa. Häufig begegneman auch dem Pierrot, der etwas Elegisches habe. «Und er hat vieleLesende und Schlafende gemalt und gezeichnet, wobei seine spätereFrau Sidi das Hauptmodell war», erläutert die Kunsthistorikerin.
Heckel wurde als Sohn eines Eisenbahnbau-Ingenieurs in Döbelngeboren. Nach dem Besuch des Realgymnasiums in Chemnitz nahm er einArchitekturstudium an der Technischen Hochschule Dresden auf, was ernach nur drei Semestern wieder aufgab. Am 7. Juni 1905 gründete er ineinem leerstehenden Fleischerladen mit den Studienkollegen Schmidt-Rottluff, Kirchner und Fritz Bleyl die Malergruppe «Brücke», die daserste Sammelbecken des Frühexpressionismus wurde. Als Maler warHeckel im strengen Sinne Autodidakt, hatte aber als Gymnasiast vielgezeichnet und gemalt sowie auch als Architekturstudent Zeichen- undKunstunterricht.
Seine neoimpressionistischen Ölbilder änderten sich erst 1907, alsHeckel mit Jugendfreund Schmidt-Rottluff den Ort Dangast an derNordsee entdeckte. Hier malte er die rote Ziegelei und erreicht mit«Dorftanz» 1908 dieselbe Kraft wie Kirchner, meint Dalbajewa. Prägtedamals das Authentische, Ungeschliffene die Gemälde, sind später ehergebrochene Töne typisch. Nach und während des Ersten Weltkriegeskamen philosophische Hintergründe dazu.
Seit 1911 lebte Heckel in Berlin, wo sich die «Brücke» im Mai 1913auflöste. Im selben Jahr hatte Heckel seine erste Einzelausstellung.Während des Ersten Weltkriegs war er Sanitäter, traf Max Beckmann undhatte freundschaftlichen Kontakt mit dem belgischen Maler JamesEnsor. Nach Kriegsende bezog er in Berlin ein neues Atelier. In den1920er Jahren beruhigte sich Heckels Malweise. 1937 wurden 729 Werkevon den Nazis als «entartet» aus deutschen Museen entfernt, einGroßteil seines Lebenswerks. Der Zerstörung seines Ateliers durchBomben 1944 und einem Depotbrand fielen weitere Gemälde zum Opfer.
Die Vernichtung dieses Frühwerks habe die Rezeption von HeckelsOeuvre wesentlich beeinflusst, sagt Dalbajewa. Eine Neufassung dasWerkverzeichnisses der Gemälde soll nun ebenso den Fokus auf HeckelsSpätwerk legen wie auf die international stärker beachteten Gemäldeder Dresdner und Berliner Zeit. «Heckel steht nicht so im Rampenlichtwie Kirchner, in der kunstgeschichtlichen Wertung aber ist ergleichrangig.» In seinem Schaffen sei eine Kontinuität vom Früh- biszum Spätwerk erkennbar. Letzteres entstand nach 1945 in Hemmenhofenam Bodensee, wo Heckel am 27. Januar 1970, mit 86 Jahren, starb. Inseinem Haus wird der Nachlass des Künstlers verwahrt und gepflegt,seine Werke hängen in allen großen deutschen Museen.