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Berlin Berlin: Königin Nofretete zieht in ihr neues Heim

Von GÜNTER KOWA 15.10.2009, 11:54
Die Treppenhalle im Neuen Museum in Berlin (FOTO: DPA)
Die Treppenhalle im Neuen Museum in Berlin (FOTO: DPA) dpa

BERLIN/MZ. - Im Neuen Museum steht sie in majestätischerUnnahbarkeit unter der hochaufragenden Kuppelim Nordflügel. Ihr herrscherliches Auge schweiftüber ihre Bewunderer ans andere Ende der Raumflucht,wo gleichfalls unter einer Kuppel Helios steht,der römische Sonnengott.

Die Konstellation bündelt nicht nur zeitlich-räumlichePole der antiken Welt, sie verweist auch aufeine Unterströmung des antiken Götterglaubens:Nofretete war die Hohepriesterin des Atos,des ägyptischen Sonnengottes. Reliefs zeigensie unter dessen Strahlen mit Echnathon, ihremGemahl, und ihrer Familie. Den Helios umgebenZeugnisse spätrömischer Kulte, das Pharaonenpaarmit seinem Hof wird selbst zum Kult.

Das Zeitalter Ägyptens und Roms, die frühenGriechen, die Urgeschichte des Menschen, dasfrühmittelalterliche Europa - das sind dieAnziehungspunkte in diesem Haus, dem auf derBerliner Museumsinsel derzeit die größte Aufmerksamkeitgilt. Tausende strömten im Frühjahr in dieleeren Hallen, um das Wunder einer Wiederauferstehungzu erleben. Der britische Architekt DavidChipperfield beließ vom Ruinösen des Gebäudesso viel wie möglich und ergänzte es mit Einbauteneiner kargen Formensprache.

Jetzt sind das Ägyptische Museum, die Papyrussammlungund das Museum für Vor- und Frühgeschichtemit 9000 Exponaten in diese Räume von roherSchönheit eingezogen. Der Generaldirektorder Berliner Staatlichen Museen, Michael Eissenhauer,spricht von der "elektrisierenden Kraft, dievon diesem Gebäude ausgeht". Die Spuren dereinstigen Ausstattung lassen noch erkennen,welch ein Tempel humanistischer Bildung eseinmal war, freilich auch eine patriotischeWeihestätte, die germanische Mythen den antikengleichstellte.

Die beteiligten Sammlungen können jetzt dreimalso viel zeigen wie bisher in ihren Interimsstätten.Doch abgesehen vom "Studiensaal" mit seinenhistorischen Vitrinen, findet sich nun allesin neuen Vitrinen von schlichter Eleganz,dazwischen monumentale Bildwerke, Grabmälerund Sarkophage. Nicht geändert hat sich dieunerbittliche museale Systematik, die dieFülle des Kulturguts durchsortiert: die ägyptischePlastik etwa in Stand/Schreit-, Sitz-, Knie-,Würfel- und Schreiberfigur. Alles muss seinepreußische Ordnung haben, das Leben genausowie das Jenseits, die Kunst wie der Alltag.

Im Untergeschoss, wo unter Gewölben aus Ziegelsteindie "Archäologische Promenade" Gestalt annimmt,die später die ganze Museumsinsel verbindensoll, überbrückt das Ordnungsschema verschiedeneKulturen mit Themen wie "Jenseits und Ewigkeit"oder "Zeit und Geschichte". Wiederum sindes die ägyptischen Altertümer, die in ihrerFülle und Kraft den stärksten Eindruck hinterlassen,die ausgerollten "Jenseitsbücher" mit ihrenfantastischen Vorstellungen von der Unterweltoder die späten Mumienporträts, die so lebensnahscheinen.

Mit angehaltenem Atem aber geht der Besucherauch im Obergeschoss die Versammlung ägyptischerPorträtbüsten aus 3000 Jahren entlang, ausder zwei herausragen. Da ist wach und lebhaftder Basaltkopf aus dem "Alten Reich". Undihm gegenüber ist aus der Spätzeit der berühmte"Grüne Kopf" aus Grauwacke platziert - denBlick in sich gekehrt, die Züge fein und fließend.

Man wird aber auch den Schliemann-Saal aufsuchenwollen, der die legendären Trojanischen Schätzeversammelt, viele davon in Nachbildung mitdeutlichem Hinweis auf den Verbleib als Kriegsbeuteim Moskauer Puschkin-Museum.

Welch Überraschung schließlich, im oberstenStockwerk die Ur- und Frühgeschichte in vorerstprovisorischer Präsentation zu entdecken -und das mit deutlich aufgelockerter Ordnungsliebe.Fast glaubt man, die frische Lebendigkeitaus Halles Landesmuseum sei nach Berlin durchgedrungen.Wer Kinder mitbringt, fängt in Berlin am bestenbeim Neandertaler an.