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Berlin Berlin: Katja Riemann als entfesselte Ehebrecherin

Von Elke Vogel 31.01.2008, 09:12
Katja Riemann und Sebastien Jacobi spielen am Mittwoch im Theater am Kurfürstendamm als Anna Karenina und Alexej Wronskij in einer zeitgenössischen Dramatisierung nach dem Roman von Leo Tolstoi. (Foto: dpa)
Katja Riemann und Sebastien Jacobi spielen am Mittwoch im Theater am Kurfürstendamm als Anna Karenina und Alexej Wronskij in einer zeitgenössischen Dramatisierung nach dem Roman von Leo Tolstoi. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Katja Riemann (44) ist am Mittwochabend als «AnnaKarenina» am Berliner Theater am Kurfürstendamm gefeiert worden. Sehrfrei nach dem gleichnamigen Roman des russischen Schriftstellers LeoTolstoi spielt die Film- und Theaterschauspielerin die wohlberühmteste Ehebrecherin der Weltliteratur. Den Roman-Persönlichkeiten ist in der Inszenierung von Anima Gusner allerdingskaum mehr als ihr Name geblieben.

Die Regisseurin lässt Riemann nicht die verzweifelt,leidenschaftlich liebende und vor allem leidende Anna spielen, wie sie das Tolstoi-Werk beschreibt. In dieser modernen Version ist die Titelheldin eine entfesselte, nach sexueller Befreiung schreiende Frau. Aus der Liebesgeschichte wird eine Sexgeschichte - verwoben mit dem Streben nach Emanzipation und enorm großen Schuldgefühlen. Anna ist kein zurückhaltender, feinnerviger Mensch mehr, sondern ein mitten aus dem rauen Leben gegriffener Charakter.

Ein Stuhl ist die einzige Requisite auf der Bühne, die JohannesZacher als offenen Ort der Möglichkeiten konstruiert hat.Verschiebbare Flächen aus klarem und mattem Glas geben den Bewegungender Figuren korrespondierend zur Gefühlslage mal eine Form, mal nureinen vagen Umriss. Glücklos verheiratet, verfällt Anna dem vonSébastien Jacobi etwas farblos gespielten Wronskij.

Anders als in der Vorlage ist Wronskij hier kein Offizier, sondernein Schauspieler, der schon in «James Bond» zu sehen war und jetztmit Gérard Depardieu dreht. Warum sich Anna ausgerechnet in diesenMann verliebt, bleibt unklar. Riemann lebt die Obsession trotzdem mitbeachtlicher Energie aus: Sie singt und tanzt, sie tobt und wütet,sie lässt ihre Anna nach seelischer wie körperlicher Berührungregelrecht gieren. Die Zuschauer zollten dieser Leistung bei derPremiere mit viel Applaus Respekt.

Peter René Lüdicke spielt Annas Ehemann Alexej Karenin, der indieser Neuinterpretation ein Politiker mit am Ende aufrichtigenGefühlen ist. Heinrich Schafmeister ist Annas Bruder Oblonskij, derebenfalls fremd gegangen ist und nun größte Probleme mit seiner FrauDolly (Birgit Schneider) hat. Zu den stärksten, das Publikumherausfordernden Szenen gehört die vergebliche Liebesmüh der vonAnika Mauer hervorragend interpretierten Kitty. Wie in einerEndlosschleife gleiten ihr liebeshungriger Körper und ihre Sehnsuchtunzählige Male von dem gleichgültigen Schriftsteller Lewin (JörgPintsch) ab. Viel zu oft aber lässt Gusner ihre Figuren zu bloßenKarikaturen ihrer großen Tolstoi-Vorbilder werden. Bewusst oderunbewusst platzen dann in ernste, wahrhaft tragische Momente dieprofansten Äußerungen und Gelüste hinein.

Nach einer Tournee durch verschiedene kleinere deutsche Städte ist«Anna Karenina» nun erstmals auf einer großen Bühne zu sehen. MitRegisseurin Gusner arbeitete Riemann bereits bei dem Stück «Szeneneiner Ehe» nach Ingmar Bergman zusammen. Nächstes gemeinsames Projektist Tschechows «Drei Schwestern». Mit Riemann, Jasmin Tabatabai undNicolette Krebitz in den Hauptrollen hat die Neuinszenierung am 1.Juni am Theater am Kurfürstendamm Premiere.

(www.theater-am-kurfuerstendamm.de)