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Berlin Berlin: Es geht um die Wurst

Von Ulrike von Leszczynski 13.08.2009, 13:55

Berlin/dpa. - An diesem Samstag eröffnet in der Hauptstadt Deutschlands erstesCurrywurstmuseum. Auf den Spuren roter Soßenkleckse können Besucherdarin der Geschichte der runden Fleischhäppchen nachspüren. DieAusstellungsmacher haben sich zum Amüsement einiges einfallen lassen:Hörspiele kommen aus Ketchupflaschen. An einem nachgebauten Tresenkönnen Besucher per Computermonitor ihre Tauglichkeit als Currywurst-Brater testen: Wer schafft drei Kunden in drei Minuten?

Das neue Museum legt Wert darauf, dass die Currywurst eineBerliner Erfindung ist. Am 4. September 1949 habe Herta Heuwer anihrem Imbiss in Berlin-Charlottenburg das erste Mal eine Soße ausTomatenmark, Worcestershiresoße, Currypulver und anderen Gewürzengemischt und über eine gebratene und klein geschnittene Brühwurstgegossen. Heuwers Welt im Nachkriegs-Berlin, in demErfindungsreichtum und Improvisationskunst gefragt waren, ist imMuseum nachgebaut. Ein Foto zeigt sie als patente Berlinerin mitfrühem Wirtschaftswunderlächeln unter Dauerwelle.

Hamburger Ansprüche auf die Currywurst? Nur eine Roman- undFilmfiktion, heißt es im Museum. Das Ruhrgebiet als gefährlicherKonkurrent? Kam erst später. Außerdem ist das alles Vergangenheit.Für die Gegenwart billigt die kleine private Schau, die Samstagmittagnahe dem Touristenmagnet Checkpoint Charlie ihre Türen öffnet, derfleischigen Jubilarin mehr zu. Die Currywurst, sagt Initiator undGründer Martin Löwer stolz, sei ein Stück Kultur- undGesellschaftsgeschichte - und natürlich auch ein Wirtschaftsfaktor.800 Millionen Currywürste verdrückten die Deutschen im Jahr. 70Millionen Portionen gingen allein in Berlin über die Theke.

Zweifel an der Spezialität sind in der Hauptstadt nicht erwünscht.Lange schon hat sie die Welt der kleinen Imbissbuden, die in der TV-Dauerserie «Drei Damen vom Grill» ihr Denkmal bekam, verlassen. DasLuxushotel Adlon serviert zu besonderen Anlässen Currywurst - mitChampagner. Auf dem politischen Parkett outete sich Alt-KanzlerGerhard Schröder (SPD) gern als Currywurst-Liebhaber. Heute wird dieWurst sogar in Kundus, Afghanistan, serviert, zubereitet von einemehemaligen Bundeswehr-Koch. Soviel zum Thema Internationalität.

An eine solche Karriere der Currywurst mag Herta Heuwer noch nichtgedacht haben. Doch geschäftstüchtig war auch sie. 1959 meldete sieihre Soße beim Patentamt in München an. Das Rezept nahm sie 40 Jahrespäter mit ins Grab. Wahr an allen Erfindungsgeschichten istvielleicht nur, dass die Currywurst ein deutsches Nachkriegsphänomenwar. Sie mag eine Reaktion auf die Esskultur der US-Besatzer gewesensein. Die aßen gern Steaks mit Ketchup oder Hotdogs. DeutscheBrühwurst mit Soße auf Tomatenmark-Basis als Imitation ist durchausdenkbar - als frühes Fast Food für die «kleinen Leute».

Eng verbunden ist die Currywurst natürlich auch mit demRuhrgebiet. Niemand hat die heiß-fettige Liebe so schön im passendenJargon festgehalten wie Herbert Grönemeyer 1982 auf seinem Album«Total egal»: «Kommse vonne Schicht, wat schönret gibt et nich alswie Currywurst.» Multimedial inszenierte sich die Currywurst imRuhrpott-«Tatort» neben Horst Schimanski (Götz George) und ist bisheute aus den Krimis nicht wegzudenken. Und Komiker Olli Dittrichsendet als «Dittsche» direkt aus einer Hamburger Imbissbude.

Weiter südlich hatte die kalorienreiche Wurstmahlzeit wenigerChancen. Nach Frankfurter Würstchen als erstem Bollwerk im Rhein-Main-Gebiet wirkt der bayerische Weißwurst-Äquator als natürlicheGrenze. Der Osten setzt echte Thüringer und Halberstädter Würstchendagegen. In Berlin hat sich die Currywurst an Hunderten Imbissbudengegen den Döner behauptet. Auch wenn Ernährungsexperten die Portionenals «zu fettig, zu salzig und zu süß» brandmarken, wird auch das neueBio-Fast-Food kein ernstzunehmender Gegner für sie werden. AmEintrittsgeld, das Berlins Currywurstmuseum verlangt, könnten sichdie Geister schon eher scheiden. 11 Euro kostet es für Erwachsene -dafür gibt es in der Hauptstadt mindestens vier Currywürste.

Die Ausstellung über die «Kultikone Currywurst» mit vielen Geschichten in Bild, Schrift und Ton wird am 15. August 2009 eröffnet. (FOTO: DPA)
Die Ausstellung über die «Kultikone Currywurst» mit vielen Geschichten in Bild, Schrift und Ton wird am 15. August 2009 eröffnet. (FOTO: DPA)
dpa