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Berlin Berlin: Autorin Eva Strittmatter ist tot

Von Andreas Montag 04.01.2011, 12:08
Die Dichterin Eva Strittmatter, aufgenommen im August 1997 in Berlin. (FOTO: DPA)
Die Dichterin Eva Strittmatter, aufgenommen im August 1997 in Berlin. (FOTO: DPA) Berliner_Verlag

Halle (Saale)/MZ. - Über die schlichten, ganz direkt an das Herz gerichteten Titel ihrer Gedichtbände hat mancher maliziös gelächelt: "Ich mach ein Lied aus Stille" hieß der erste, 1973 erschienene, "Mondschnee liegt auf den Wiesen" folgte zwei Jahre danach.

Aber was soll eigentlich falsch daran sein, die Herzen zu berühren? Millionen verkaufter Bände sprechen für sich - und die Texte Eva Strittmatters tun es es sowieso. Nun werden sie wieder einmal zur Hand genommen werden. Die Dichterin ist in der Nacht zum Dienstag in Berlin gestorben, wenige Wochen vor ihrem 81. Geburtstag.

Keine Idylle

Bis fast zum Schluss hatte sie im brandenburgischen Flecken Schulzenhof ausgeharrt, wohin sie in den fünfziger Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Erwin Strittmatter gezogen war. Schulzenhof war Fluchtort und Arbeitsstätte des Paares - eine Idylle kann das Landleben trotzdem nicht gewesen sein.

Zu kompliziert war das Zusammensein mit dem knorrigen und eigensinnigen Großschriftsteller, der 1994 gestorben ist. Damals hat das Schicksal Eva Strittmatter grausam geprüft: Binnen weniger Monate verlor sie den Gefährten, die Mutter, den Sohn. Aber sie hat tapfer weitergearbeitet, hat das Anwesen nicht aufgegeben, hat geschrieben und sich um das literarische Erbe ihres Mannes gekümmert. Man kann sich seine Nähe auch erdrückend vorstellen. Und seine Ferne als Schmerz. Zu DDR-Zeiten wurde von mindestens einer Affäre Strittmatters gemunkelt, Eva hat das Flüstern ausgehalten. Aber es tat ihr sicher weh.

Sie liebte den Mann, den sie vor knapp zwei Jahren noch mit aller Kraft posthum zu schützen versucht hat, nachdem in der Öffentlichkeit Hinweise auf seine mögliche (und verschwiegene) SS-Mitgliedschaft aufgetaucht waren: Unsinn, meldete die Dichterin und Witwe, seine Einheit sei lediglich einer SS-Formation unterstellt worden. Und sie, seine Frau, habe das im Übrigen immer gewusst.

Eva Strittmatter war eine starke Frau. Selbstbewusst mitredend konnte man sie im Ostberliner Schriftstellerverband sehen, die Kerle rauchte sie glatt an die Wand. Wenn sie etwas nicht wollte: Nur die Frau an seiner, Erwins, Seite zu sein. Wenn sie etwas wollte: Seine Freundin zu sein aus freiem Entschluss. Und Frau eines Mannes, der sie auch respektiert.

Der Erfolg ihrer Verse wird die Gewichte in der Beziehung ein wenig zu ihren Gunsten verschoben haben. "Ich kann dich lieben oder hassen - / ganz wie du willst. (Kann dich auch lassen.) / Und du kannst schweigen oder sprechen. / Ganz wie du willst. Daran zerbrechen / werd ich nicht mehr. (Ich kann auch gehn.) / Ganz wie ich will, wird es geschehen", schrieb sie in "Freiheit". Liebe und Selbstfinden sind die Themen ihrer Lyrik, die Bilder fand die Dichterin oft in der Natur. Aus dem Kontrast von großem Gefühl und nüchterner Betrachtung beziehen die schlichten Texte ihren Reiz, kitschig sind sie nie. Dafür von einer solchen Kraft noch in der Ratlosigkeit, dass ein Trost daraus wachsen kann.

Pragmatische Position

In politischen Dingen war Eva Strittmatter, der die Ironie des Zufalls wie Hitlers Freundin den Geburtsnamen Braun beschert hatte, eher pragmatisch. Am 8. Februar 1930 in Neuruppin zur Welt gekommen, war vor ihrer freiberuflichen Arbeit als Kulturfunktionärin tätig, mit der DDR ist sie zwar nicht kritiklos, doch in Frieden ausgekommen. Es war ihr Land, dort lebte sie und hatte ihre Leserschaft. Zu den Autoren, die an der ostdeutschen Republik litten und sich endlich von ihr lossagten, hat sie ebenso wenig wie ihr Mann gehört.

Zuletzt, nach langer Krankheit, war ihr das Leben wohl eine Last geworden. Aber die Gewissheit wird ihr geblieben sein, viele Herzen erreicht zu haben. Übrigens auch im Westen der Republik.

Das Dichterpaar Eva und Erwin Strittmatter (vorn) 1980 während einer Lesung im Berliner Schloss Friedrichsfelde. (FOTO: DPA)
Das Dichterpaar Eva und Erwin Strittmatter (vorn) 1980 während einer Lesung im Berliner Schloss Friedrichsfelde. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild