Belletristik Belletristik: Eine Frau zwischen Schuld und Sühne

Frankfurt/Main/dpa. - Damit begibt sich Fredriksson zwarauf gewohntes Terrain, nämlich der Analyse zwischenmenschlicherBeziehungen mit ihren unendlichen psychologischen Facetten. Aberirgendwie kommt die Geschichte der jungen Frau und ihrer Familieunbeholfen daher - und manchmal auch unglaubwürdig.
Stina ist eine intelligente, schöne, junge Frau mit bestenBerufsaussichten. Sie verfällt einem gut aussehenden Mann, den sieHals über Kopf trotz Warnungen ihres Vaters heiratet. Die häuslicheIdylle der beiden findet ein jähes Ende, als Stina schwanger wird.Der Ehemann entpuppt sich urplötzlich als Psychopath. Soweit dervielversprechende Plot. Was dann kommt, ist der nicht immer geglückteVersuch der Autorin, logische Erklärungen für unlogisch erscheinendeHandlungen zu finden: Die werdende Mutter Stina, studierte Biologinund Mathematikerin, promoviert trotz tiefster Depressionen. Diegebildete Frau ist aber nicht in der Lage, sich aus der misslichenSituation zu befreien, aus eigener Kraft ihren Mann zu verlassen, densie inzwischen verachtet und hasst.
Fredriksson baut vor allem auf Gespräche zwischen Mitgliedern undFreunden der Familie, um Hintergründe deutlich zu machen - einbewährtes Mittel, hier aber eher eine Schwachstelle des Romans. Esmutet manchmal fast kindlich-naiv an, wie schnell die AutorinMenschen zu guten Freunden und Vertrauten werden lässt, wieunglaublich verständnisvoll alle sind, wie federleichtländerübergreifend Behördenkontakte geknüpft werden.
Am schwersten nachzuzeichnen ist neben der Person Stinas wohlMaria, ihre ältere Tochter, die von ihrem eigenen Vater missbrauchtwird. Kein Wunder, dass die Sechsjährige schwere psychische Schädendavon trägt. Gut nachvollziehbar deren Wut auf die Mutter, die sieangeblich im Stich gelassen hat. Aber überhaupt nicht realistischscheint das ausgeprägte intellektuelle Verständnis des Mädchens zusein. Da klafft eine große Diskrepanz zwischen zugeordneterIntelligenz und naturgegebener Kindlichkeit.
«Stinas Entscheidung» ist ein leicht zu lesender Roman, der einschweres Thema aufgreift und leider recht trivial verarbeitet. DieKüchenpsychologie aller Protagonisten ist nicht nur oft unausgegoren,sondern mitunter auch fragwürdig. Die Suche Stinas nach ihrem Ichwird für den Leser zur Suche nach einer Antwort auf die Frage: «Waswill uns Fredriksson mit diesem Buch eigentlich sagen?» Schade, denndass die Schwedin auch ganz anderes zu Stande bringt, hat sie mitanderen Romanen hinlänglich bewiesen.
Marianne Fredriksson:
Stinas Entscheidung
Krüger, S. Fischer Verlag GmbHFrankfurt am Main
316 Seiten, Euro 19,90
ISBN 3-810-50671-0