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Belletristik Belletristik: «Das verlorene Labyrinth»

Von Nicola Prietze 22.08.2005, 06:28
Die Schriftstellerin Kate Mosse (Foto: dpa)
Die Schriftstellerin Kate Mosse (Foto: dpa) dpa

Carcassonne/dpa. - Trotz der unzähligen kleinen Läden,Cafés und Restaurants für die im Sommer einfallenden Touristenhordenbraucht man nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie hierfrüher die Ritter unter lautem Hufgeklapper auf ihren Pferden durchden großen Torbogen geritten kamen.

Auf die britische Schriftstellerin Kate Mosse wirkte die Anlage soinspirierend, dass sie ihren Roman «Das verlorene Labyrinth» hierspielen ließ: ein teils im 13. Jahrhundert, teils in der Gegenwartangesiedelter Mystery-Thriller, in dessen Zentrum die Suche nach demheiligen Gral, dem Geheimnis ewigen Lebens, steht. Mosse hat seit 16Jahren ein Häuschen unterhalb der Festungsmauern und lebt dort mitihrem Mann, ihrer Tochter und ihrem Sohn etwa vier Monate im Jahr.

Geschickt verknüpft sie in ihrem Buch zwei Handlungsstränge. Dereine spielt 1209, zur Zeit der Kreuzzüge und der Inquisition, als dieum Carcassonne angesiedelte Ketzergemeinschaft der Katharererbarmungslos von den Christen verfolgt wird. Der andere Strangspielt 2005, als eine junge Frau, Alice, bei Ausgrabungen in denAusläufern der Pyrenäen in einer Höhle ein geheimnisvolles Labyrinthan der Wand entdeckt - und davor zwei Skelette.

Alice und die Heldin im Mittelalter, Alaïs, sind getrennt durchacht Jahrhunderte, doch es gibt eine Verbindung zwischen ihnen: dreirätselhafte alte Bücher, die den Schlüssel zur Unsterblichkeit bergenund denen sowohl im 13. Jahrhundert als auch in der Gegenwart mehrereLeute auf der Spur sind - bereit, dafür sogar zu töten.

Alle Roman-Schauplätze finden sich in der Realität wieder, so dassman anhand des Romans auf Zeitreise in Carcassonne gehen kann. Mosse,eine 43 Jahre alte, erfrischend uneitle und ebenso herzliche wiepragmatische blonde Frau, hat viel Humor und ein Faible fürGeschichte. Sie kennt in der Altstadt von Carcassone jeden Winkel,jeden Stein. Mit ihr als Führerin werden die alten Steine plötzlichlebendig, man wähnt sich mitten im Roman. «Hier sieht man imSteinboden noch den Umriss der früheren Kapelle», erklärt die Autorinim Innenhof der Burg bereitwillig. «Und da hinten ist der kleineDurchgang, durch den Alaïs immer die Festung verließ, um an den Flusszu gehen - dort, die steilen Treppenstufen ist sie 'runtergelaufen.»

In der britischen Literaturszene ist Mosse, deren «Labyrinth» in15 Sprachen übersetzt wird und in Deutschland vor wenigen Tagen ineiner Startauflage von 80 000 Exemplaren erschienen ist, eine festeGröße: Sie hat nicht nur eine eigene Radio- und eine Fernsehsendungbei der BBC, sondern in England auch bereits zwei Romane und zweiSachbücher veröffentlicht. Außerdem ist sie Mitbegründerin des OrangePrize für Literatur.

Als Mosse begann, sich für die mittelalterliche Vergangenheitihrer Zweit-Heimat eine gute Stunde südöstlich von Toulouse zuinteressieren, hatte sie noch lange kein Buch im Kopf. «Ich wolltenicht wie viele Engländer nur in meinem Garten sitzen, Rosé trinkenund sonnenbaden. Ich wollte wissen, wo ich hier bin - schließlichbegegnet einem hier die Vergangenheit auf Schritt und Tritt.»

Also fing sie an zu lesen, zunächst Reiseführer, dann immerspeziellere Geschichtsbücher, und je mehr sie las, desto faszinierterwar sie - von der religiösen Toleranz der Katharer und der schondamals existierenden Gleichberechtigung der Frauen in diesem TeilFrankreichs. Vor fünf Jahren beschloss sie dann, ihr Wissen in einemBuch zu verpacken. Dafür ließ sich die zierliche Frau sogar zeigen,wie man mit Pfeil und Bogen und den schweren Schwertern umging, umein Gefühl für die mittelalterlichen Waffen und die damaligeKampfkunst zu bekommen.

Dem Roman kommt die akribische Recherche zweifellos zu Gute.Allerdings braucht es eine Weile, bis die Handlung in Gang kommt. DieZeitsprünge zwischen 1209 und 2005 machen die Lektüre dann aber sehrabwechslungsreich, man liest gleichsam zwei Bücher in einem, wobeiMosse immer wieder Spannung erzeugende Hinweise auf die Verbindungihrer beiden Heldinnen einstreut. Affären und Intrigen bringenzusätzliche Würze. Die Charaktere sind etwas klischeehaft gut undböse gezeichnet, und auch die Auflösung ist nicht allzu überraschend.Trotzdem bleibt man gern bis zum Schluss dran.

Mosses nächster Roman ist schon in Arbeit, er spielt zum Teil imausgehenden 19. Jahrhundert. Diesmal bringt die Geige und Klavierspielende Autorin ihre Leidenschaft für Musik ins Spiel - es geht umden Komponisten Claude Debussy, Okkultismus und Tarot-Karten.

(Kate Mosse geht im November zusammen mit Muriel Baumeister aufLesereise: 7.11. Bergisch Gladbach, 8.11. München, 9.11. Rostock,10.11. Berlin, 11.11. Hamburg; Internet: www.das-verlorene-labyrinth.de)

Kate Mosse: Das verlorene Labyrinth
Droemer Verlag, München
752 S., Euro 22,90
ISBN 3-426-19660-3