Belgien Belgien: Vor 25 Jahren starb Jacques Brel

Paris/dpa. - Jacques Brel hasste Bigotterie, Biederkeit, Ungerechtigkeit und Intoleranz, die er in seinen Chansons mit viel Ironie, Zynismus und Melancholie besang. Welchen Ton hätte der belgische Chansonnier wohl in der Affäre um die posthume Veröffentlichung von fünf seiner zuletzt komponierten Lieder angeschlagen? Zum 25. Todestag von Brel, der am 9. Oktober 1978 erst 49-jährig an Lungenkrebs in einer Klinik bei Paris starb, wurde vor wenigen Tagen ein Best-of-Album veröffentlicht. Es enthält die auf seinen Wunsch hin bisher unveröffentlichten Stücke «Mai 40», «La Cathédrale», «Sans Exigences», «Avec Elégance» und «L'Amour est mort».
Brel, der 1974 sich erstmals einer Krebsoperation unterziehen musste, hatte die Lieder Mitte November 1977 aufgenommen - nach fast zehnjähriger Pause, die er zum Teil auf den Marquesas-Inseln in der Südsee verbrachte, wo schon der Maler Paul Gauguin Zuflucht fand. Die Aufnahmen fanden in den Pariser Barclay-Studios statt. Brel war stark von der Krankheit gezeichnet, und so beschränkten sich die Aufnahmen auf zwei Lieder pro Tag. Insgesamt wurden von den 17 komponierten Stücke nur 12 für eine Langspielplatte aufgenommen - 5 von ihnen blieben auf Wunsch Brels hin unveröffentlicht.
«Das sind unvollendete Chansons, die Jacques Brel und wir ändern wollen, deshalb wurden sie nicht veröffentlicht», vermerkten damals die Mitunterzeichner und Mitherausgeber, François Rauber und Gérard Jouannest, in dem Textbuch. Ganz so unbekannt waren diese Lieder jedoch nicht mehr - zumindest nicht in Belgien.
Die Stiftung Brel ließ sie anlässlich der großen Brüssler Ausstellung «Brel, das Recht zu träumen?» spielen. Seitdem erklingen sie bei einigen belgischen Radiosendern, weshalb sich die Plattenfirma Barclay nun auch zur Veröffentlichung entschloss - trotz der Proteste einiger Brel-Fans, die darin Verrat und Wortbruch sehen.
Brel gehörte zu den Großen, zumindest in der frankophonen Welt. Seine Platten verkauften sich besser als die von Johnny Halliday oder Sacha Distel. Die berühmtesten seiner über 500 Chansons - «Ne me quitte pas», «Les Biches», «Amsterdam», «Les Flamandes», «Les Bourgeois», «Mathilde», «Le Moribund», «Les Vieux» oder «La Valse a Mille Temps» - zählen zum kulturellen Erbe.
Ein «Orkan namens Brel» wurde der 1929 in Brüssel Geborene von Frankreichs Presse genannt. Doch Brels Erfolg war nicht nur überwältigend, sondern auch von kurzer Dauer. Obwohl der Sänger mit dem Komikergesicht mit 24 Jahren die väterliche Kartonagefabrik, seine Frau Therese und die drei Töchter Chantal, France und Isabelle verließ, um in Bistros und auf Tourneen in der Provinz und Nordafrika sich einen Namen zu machen, gelang ihm erst 1958 der Durchbruch.
Doch schon 1967, nach Tourneen in die Sowjetunion, nach Montréal und Tokio, lief diese Ära schon wieder aus. Brel kehrte der zivilisierten Welt den Rücken. Ein alternder Sänger wollte er nicht sein. Das letzte Mal auf der Bühne stand er 1968 als «Don Quijote» in der eigenen französischen Fassung des Musicals «Der Mann von La Mancha». Nun trat der singende Poet als Rezitator im Rundfunk und als Schauspieler auf. Er spielte unter anderem die Hauptrolle in Andre Cayattes «Les risques du metier» (Wir sind alle Mörder).
Von der 1977 mit den 12 Stücken aufgenommenen Platte verkaufte Barclay damals in nur wenigen Wochen mehr als 1 Million Exemplare - ein Erfolg, auf den man 25 Jahre nach seinem Tod nun mit allen 17 Stücken hofft.